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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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kleine Kaiserpfalz beherbergte, die dort bestand, bis
     die Quellen wieder versiegten. Die Schwestern erklären ausdrücklich, wie uns die Oberin, Schwester Sapientia, in einem Exklusiv-Interview
     mitteilte, daß sie niemals an ein Wunder gedacht und nichts derlei verbreitet haben. Daß dieses Wort wahrscheinlich durch
     eine ehemalige Schülerin, deren Verhältnis zum in Gerselen seit langem bestehenden Lyzeum als ambivalent bezeichnet werden
     muß und die später der KPD nahestand, in die Meldungen gemischt |407| worden sein kann. In Wirklichkeit handele es sich, wie inzwischen von Fachleuten bestätigt worden sei, um einen allerdings
     überraschenden Ausbruch warmer Quellen, die einige Rosenbüsche tatsächlich in Blüte versetzt hätten. Nichts, aber auch gar
     nichts, so erklärte Schwester Sapientia mit der Nüchternheit einer modernen, aufgeschlossenen und aufgeklärten Ordensfrau,
     nichts lasse die Vermutung zu, es sei Übernatürliches im Spiel.«
     
    Während er keinen Augenblick lang zögerte, Margret von dem Rosenthermalwunder und seinen Hintergründen zu erzählen (sie strahlte
     und glaubte alles und riet ihm dringend, Klementina nicht zu vernachlässigen), er sich sogar Lottes herbem Spott aussetzte,
     die natürlich alles für Schwindel erklärte und ihn in die peinliche Kategorie der »Nonnenbützer« einreihte (»Und das wirklich
     und auch symbolisch.« Lotte), zögerte der Verf., Leni die merkwürdigen Vorgänge in Gerselen und wenigstens andeutungsweise
     den Stand der Recherchen in Rom zur Kenntnis zu bringen. Auch B. H. T. – so schien dem Verf. – hatte ein Recht darauf zu erfahren,
     welche Wirkung der Asche der von ihm zweifellos verehrten Rahel noch nach siebenundzwanzig Jahren zugeschrieben wurde. Hatten
     auch inzwischen namhafte Geologen, unterstützt von einigen Prospektoren einer Erdöl-Gesellschaft, die das Rosenthermalereignis
     bedenkenlos zu Werbezwecken ausschlachtete, in unerschütterlichen Gutachten das »ausschließlich Natürliche« des Vorgangs bestätigt,
     so blieb doch ein Teil der osteuropäischen Presse hartnäckig bei der Version, die »Wahlhilfe für reaktionäre Kräfte aus Gerselen«
     sei »nur unter dem unermüdlichen Druck der sozialistischen Kräfte zusammengebrochen und habe sich nun auf pseudonaturwissenschaftliche
     Kräfte, die ganz im Dienste des Kapitalismus stehen, zurückgezogen. Damit ist die Manipulierbarkeit |408| der kapitalistischen Wissenschaft wieder einmal bewiesen.«
     
    Es mag sein, daß der Verf. hier versagt hat; er hätte eingreifen, er hätte über die Mauer in Gerselen klettern sollen, möglicherweise
     von dem kahlköpfigen B. H. T. unterstützt, hätte Leni mobilisieren, ihr wenigstens ein paar Rosen pflücken und an der Tür
     für sie abgeben sollen; wahrscheinlich würden sie doch ihr großangelegtes Gemälde »Teil der Netzhaut am linken Auge der Jungfrau
     Maria genannt Rahel« vorzüglich und angemessen schmücken. Doch gerade jetzt überstürzten sich die Ereignisse, verknoteten
     sich und ließen dem Verf. keine Zeit, einer privaten Nostalgie nachzugeben, die ihn nach Rom zog. Die Pflicht rief, sie rief
     in Gestalt von Herweg Schirtenstein, der eine Art »Leni-in-Not – Helft-Leni-Komitee« gegründet und alle Menschen zusammenzutrommeln
     gedachte, ihr gegen den zunehmenden Hoyser-Druck, moralisch und finanziell, beizustehen, möglicherweise sogar politische Maßnahmen
     zu erwägen. Schirtenstein klang am Telefon erregt und doch fest, die sensible Heiserkeit seiner Stimme, deren Vibration bei
     früheren Gesprächen dünn wie Furnierholz geklungen hatte, klang nun metallisch. Er bat um Adressen aller »an dieser erstaunlichen
     Person Interessierten«, bekam sie und beraumte eine Konferenz für den Abend ein, so daß für den Verf. noch Zeit genug blieb,
     nun endlich, um der Objektivität, der Gerechtigkeit, der Wahrheit willen, auch, um eine rein emotionelle Stellungnahme tunlichst
     zu vermeiden, auch um der Informationspflicht willen, in das Hauptquartier der Gegenseite vorzudringen. Die Hoysers, interessiert,
     auch ihren Standpunkt zu dieser unglückseligen Geschichte darzulegen, wohl auch in Furcht vor gewissen geplanten Aktionen,
     waren sofort bereit, »auch sehr dringende Geschäfte liegenzulassen«. |409| Als schwierig erwies sich lediglich die Wahl des Konferenzortes. Zur Wahl standen: des alten Hoysers Apartment in jenem bereits
     beschriebenen Luxushotel-Altersheim-Sanatorium; Büro oder Privatwohnung des

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