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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Wettbüroinhabers Werner, Büro und Privatwohnung
     des »Baulenkungsmanagers« (Titel nach Selbstdefinition exakt zitiert. Der Verf.) Kurt Hoyser sowie außerdem das Konferenzzimmer
     der Hoyser-GmbH KG, in der »wir unsere verschiedenen Interessen und Investitionen vereint vertreten«. (Alle Zitate nach telefonisch
     gegebenen Informationen von Kurt Hoyser.)
    Nicht ohne Eigeninteresse schlug der Verf. das Konferenzzimmer der Hoyser-GmbH KG vor, das im zwölften Stock eines Hochhauses
     am Rhein liegt und, wie Eingeweihte wissen, der Verf. aber noch nicht erfahren hatte, einen phantastischen Blick über die
     Landschaft, auch die Stadtlandschaft gewährt. Nicht ohne Herzklopfen fuhr der Verf. dorthin: sein kleinbürgerliches Gemüt
     nimmt immer nur mit Bangen wahrhaft Repräsentatives wahr; er fühlt sich auf Grund seiner extrem kleinbürgerlichen Herkunft
     dort zwar wohl, und doch fremd. Mit bebendem Herzen auch betrat er die Lobby dieses exklusiven Apartmenthauses, dessen penthouse- artige Wohnungen so beliebt sind. Ein nicht gerade uniformierter, nicht einmal livrierter und doch irgendwie sowohl uniformiert
     wie livriert wirkender Portier maß ihn nicht gerade verächtlich, lediglich prüfend, und es war deutlich zu spüren: die Schuhbekleidung
     bestand diese Prüfung nicht. Lautloser Aufzug: man kennt das. Im Aufzug eine Messingtafel mit der Aufschrift »Stockwerkorientierung«,
     ein flüchtiger Blick – intensives und genaues Studium war nicht möglich angesichts der verblüffenden lautlosen Geschwindigkeit
     des Aufzugs – zeigte, daß in diesem Haus fast nur schöpferische Kräfte am Werk waren: Architekten, Redaktionen, Modeagenturen,
     ein Schild fiel besonders, |410| seiner Breite wegen, auf: »Erwin Kelf, Kontakte zu schöpferischen Menschen«.
    Noch darüber grübelnd, ob es sich dabei um physische oder geistige, möglicherweise lediglich unverbindlich-gesellschaftliche
     Kontakte handeln könnte oder gar um einen getarnten call-man- oder call-girl- Ring, sah er sich schon im zwölften Stock, wo die Tür lautlos aufging und ein sympathischer Mensch ihn erwartete, der sich
     mit den schlichten Worten vorstellte: »Ich bin Kurt Hoyser.« Ohne auch nur die geringste Andeutung von Anbiederung, Herablassung
     oder gar Verachtung, mit einer wohltuend neutralen Freundlichkeit, die Herzlichkeit keineswegs ausschloß, eher nahelegte,
     führte Kurt Hoyser ihn in das Konferenzzimmer, das lebhaft an jenen Raum erinnerte, in dem er vor zwei Tagen noch Klementina
     gegenübergesessen hatte: Marmor, Metalltüren und -fenster, Morris-Ledersessel – und ein Blick nicht gerade auf das gelblich-rötliche
     Rom, nur auf den Rhein und einige an ihm liegende Ortschaften, genau an dem geographischen Punkt, wo der immer noch majestätische
     Fluß in seine allerallerschmutzigste Phase tritt, ungefähr siebzig oder achtzig Stromkilometer flußaufwärts der Stelle, wo
     man den gesamten deutschen Dreckfluß oder Flußdreck auf die unschuldigen holländischen Städte Arnheim und Nijmwegen losläßt.
    Der bis aufs Mobiliar verblüffend angenehm wirkende Raum hatte die Form eines Kreissektors, er enthielt lediglich ein paar
     Tische und eben jene Morris-Sessel, die direkte Verwandte der Sessel im Ordensgeneralat in Rom waren. Man wird dem Verf. vielleicht
     zugestehen, daß seine Nostalgie hier neue Nahrung bekam und er einige Augenblicke lang verwirrt stehen blieb. Er bekam den
     schönsten Platz zugewiesen: mit Fensterblick auf den Rhein und über etwa fünf Brücken hinweg; es standen auf dem elegant-schwungvollen,
     dem geschweiften Fenster |411| angepaßten Tisch: verschiedene alkoholische Getränke, Fruchtsaft, Tee in einer Thermoskanne; es lagen dort Zigarren und Zigaretten,
     keineswegs in einer vulgär-neureichen, nein in einer vernünftigen maßvollen Anzahl und Auswahl. Es darf hier das Wort verwandt
     werden, das angebracht ist: gepflegt. Der alte Hoyser, auch sein Enkel Werner, beide wirkten durchaus sympathischer, als er
     sie in Erinnerung hatte; der Verf beeilte sich, seiner Stellung gemäß, Vorurteile zu korrigieren und den ominösen Kurt Hoyser,
     dem er zum erstenmal begegnete, unvoreingenommen als sympathischen, ruhigen, bescheidenen Menschen anzunehmen, der seiner
     ansonsten gepflegten Kleidung jenen Hauch von Lässigkeit gegeben hatte, die zu seiner ruhigen, baritonalen Stimme paßte. Er
     glich seiner Mutter Lotte überraschend: im Haaransatz, den runden Augen. Sollte das wirklich einmal jener unter

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