Grusel auf Campbell Castle
sich schon ungemein auf das Referat. Als er Campbell gestern angerufen hatte, hatte er nur mit ein paar allgemeinen Informationen gerechnet, die er in seinen Vortrag über historische Gebäude in Kalifornien einbauen könnte. Und jetzt bekam er diese phantastische Privatführung!
»Und dann ist Dad rübergeflogen, hat das Schloss der McCampbells in den Highlands entdeckt und sich unsterblich in das alte Gemäuer hier verliebt«, sagte Campbell und machte ein weit ausholende Handbewegung, sodass das Licht seiner Fackel bizarre Schatten an die Wände malte.
Bob blieb verdutzt stehen. »Soll das heißen, dass dieses Schloss hier dasselbe ist, das –«
»Nein, nein«, unterbrach ihn Campbell lachend. »Dad hat es nicht Stein für Stein abtragen lassen und hier rübergeschafft, wie das ein paar dieser durchgeknallten Millionäre mit anderen Bauwerken schon getan haben. Er hat es in mühevoller Kleinarbeit abgezeichnet. So exakt wie möglich. Und dann hat er es hier oben nachgebaut. Zum größten Teil mit seinen eigenen Händen.« Campbell legte eine Hand an die kalte Mauer und setzte wehmütig hinzu. »Es war sein Lebenswerk.«
Bob nickte bewundernd. »Wirklich beeindruckend.«
»Aber«, Campbell deutete auf Bobs Block und lachte, »vergiss nicht, Edward in deinem Artikel zu erwähnen! Er hat sich hier fast ebenso viele Schwielen geholt wie Dad.«
Campbell hatte Bob gefragt, ob er denn vielleicht einen Artikel über das Schloss in seiner Schülerzeitung bringen könnte. Den dritten Detektiv hatte die Bitte zwar zunächst gewundert, aber mittlerweile ahnte er, wieso Campbell so sehr daran lag. So imposant das Schloss war, so heruntergekommen war es. Die Schäden und Mängel an dem Bauwerk waren unübersehbar, und offenbar hatte Campbell nicht genügend Geld, um das Schloss renovieren oder auch nur einigermaßen instand halten zu können. Daher konnte er jede Art von Werbung gut gebrauchen. Auch in einer Schülerzeitung.
»Edward ist der Butler, oder?« Bob nahm sich vor, einen wirklich ausführlichen Artikel zu schreiben. Das war das Mindeste, was er als Gegenleistung für diese Führung tun konnte.
»Pah!« Campbell winkte ab. »Viel mehr als das! Edward ist die gute Seele des Schlosses. Er ist Butler, Hausmeister, Verwalter, Zimmermädchen, Hofnarr, Manager, Beichtvater – ach! Ich weiß gar nicht, was noch alles. Ohne Edward würde es dieses Schloss gar nicht geben.«
»Manager?« Bob sah von seinem Schreibblock auf, weil Campbell vor einer anderen massiven Holztür stehen geblieben war.
»Na ja, die ganzen Events, die hier im Schloss stattfinden. Die organisiert vor allem er. Mittelalterliche Rollenspiele …« Campbell hielt inne und lächelte Bob auffordernd zu. Und als der dritte Detektiv nicht gleich verstand, nickte er fast unmerklich zu dem Block hin.
»Ah so«, fiel bei Bob der Groschen, und beide grinsten sich vielsagend an. »Mittelalterliche Rollenspiele …«
»Spiritistische Sitzungen …«
»Spiritistische Sitzungen«, notierte Bob gewissenhaft.
»Esoterik-Kongresse …«
»Esoterik-Kongresse.«
»Hochzeiten.«
»Hochzeiten.« Bob fragte sich kurz, ob das für die Schüler von Interesse war, schrieb aber brav weiter.
»Und Gruselwochenenden.«
»Und Gruselwochenenden.«
»Toll!« Campbell reckte den Daumen in die Höhe. »Und jetzt – auf zur eisernen Jungfrau!«
Die Folterkammer fand Bob fast noch beeindruckender als das Verlies. Campbell hatte alle möglichen Folterinstrumente zusammengetragen und sie so ausgestellt, als wären sie immer noch in Gebrauch. Eine Streckbank, ein spanischer Stiefel, diverse Daumenschrauben, Mundsperren, Peitschen und sogar die besagte eiserne Jungfrau ließen Bob eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Und als einmal der Wind durch die Mauerritzen pfiff, glaubte er im ersten Moment, ganz deutlich den Schrei einer gefolterten Seele zu vernehmen. Es war mehr als gruselig.
Und gruselig ging es weiter bei der Schlossführung. Während weit draußen die Sonne in einem blutroten Meer versank, zeigte Campbell dem dritten Detektiv insbesondere die Stellen in seinem Schloss, die er für besonders werbewirksam hielt. Das Zimmer, in dem die Weiße Lady zu Vollmondnächten erschien, die Brüstung, von der sich der einäugige Ritter Jahr für Jahr zur Sonnwendnacht in den Burggraben stürzte, weil vor über 700 Jahren in dieser Nacht seine Angebetete dort unten den Tod gefunden hatte; den Spiegel, in dem man immer um Mitternacht sein eigenes Ableben sah; das
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