Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)

lassen, Archers Gunst zu erringen. Sie hatte den Pastor so lange begehrt. Nicht nur im sündigen Fleisch, obwohl ihr das auch willkommen wäre, sondern vor allem wollte sie sich mit ihm im Geist vereinigen.
    Und nun beraubte sie Ronnie des Geschenks, das ihr Archers unsterbliche Liebe erkaufen würde.
    Ihr ältester Sohn war immer ein Unruhestifter gewesen, wenn sie darüber nachdachte. Er hatte immer Bücher gelesen, komische Idee gehabt und blöde Fragen gestellt, wo es doch wirklich nur eine Frage gab. Und die Antwort auf diese Frage war Archer.
    Sie erhob ihre eigene Stimme im allgemeinen Geschrei und kletterte über die Lehne der Bank vor ihr, den Jungs folgend. Sie verlor das Gleichgewicht und kollidierte mit Mama Bet, und die alte Frau wurde zu Boden geschleudert. Mama Bet stöhnte vor Schmerzen, aber Linda ignorierte sie. Mama Bet mochte Archer geboren haben, aber sie war nur ein weiteres Gefäß, nur ein weiteres Stück Fleisch, das Gott dazu benutzt hatte, Archer zu Linda zu bringen. Mama Bet kümmerte sie so sehr wie der Regen einen Fluss.
    Ronnie zog Tim zum Podium und half ihm über das Geländer. Linda folgte ihnen. Wo war Archer? Sah er nicht, dass Tim, der jüngste Abkömmling der alten Familien, im Begriff war zu entkommen. Kümmerte es ihn nicht? Wollte er das Opfer nicht so sehr entgegennehmen, wie sie es geben wollte?
    Waren Opfer nicht die Währung Gottes?
    Sie stieg über das Geländer und blickte auf den Fleck auf den alten Bodenbrettern. Flügel, ausgestreckte Klauen, ein schrecklicher Engel aus dunklem Blut.
    Zurückgekehrt.
    Das Werk, das Wendell McFall begonnen hatte, war nun fast vollendet. Nur das Blut eines weiteren Sünders war nötig, damit es Gestalt annahm und der Geist des Glockenmonsters aus dem Reich der Schatten zu vollständig ausgeformtem Leben erweckt wurde.
    Nur eine weitere Reinigung.
    Sie rief den Jungen zu, dass sie stehenbleiben sollten, aber sie blickten nicht einmal zurück zu ihr. Sie rannten in die Sakristei und knallten die Tür zu. Linda ballte die Fäuste, bis ihre Fingerknöchel schmerzten, dann drehte sie sich um und blickte auf die Gemeinde.
    Die Buchanans hatten die Kirche verlassen, der Bann war gebrochen. Sonny und Becca Faye drängten sich zur Wand, weg von Mama Bet, die kniete und die Hände erhoben hatte.
    »Sieh, was du mir nun angetan hast«, rief sie in Richtung Decke. Sie unterbrach sich, um die Reste in ihren Mundwinkeln zu lecken. »Als ob ich nicht schon genug gelitten hätte, verschmutzt du nun auch noch mein schönes Sonntagskleid. Warte, bis ich dich in die Hände bekomme.«
    Lindas Blick wanderte über die sich schnell verkleinernde Menschenmenge. Wo war Archer?
    »Lass uns verschwinden«, rief Sonny Becca Faye zu. »Dieser Haufen ist irrer als Eichhörnchen auf Speed.«
    Mama Bet fing wieder an zu skandieren, ein zahnloses Gebet. »Ich kann es nicht erwarten, dir unter die Augen zu treten, Mister. Dann, bei Gott, ist Zahltag. Denn du schuldest mir einiges.«
    Oh, die von schwachem Glauben , dachte Linda. Aber Archer würde sich später ihrer annehmen. Nach dem Opfer der heutigen Nacht. Archer würde alle Zeit der Welt haben, und alle Macht und alle Wut.
    Sie schauderte vor Verzückung und ging zur Sakristei, um ihre Jungs zu holen.
     
    »Heilige Scheiße und verdammt noch mal«, murmelte David.
    Der Schall der Glocke breitete sich über die Hügel aus, klatschte auf die Berghänge und wurde als Flutwelle zurückgeworfen. Die Schwingungen ringelten sich auf Davids Haut, Tausende von winzigen Lebewesen.
    »Da ist kein Seil«, sagte Sheila zu sich selbst.
    Sie fing an, David auf die Nerven zu gehen. Dieses verdammte Weib sollte sowieso nicht bei der Polizei sein. Frauen waren zu sensibel, zu mitfühlend. Zu leicht zu täuschen. Und was sie da über Opfer als Währung Gottes gesagt hatte, nun, sie hatte es auf genau die gleiche Art und Weise wie Linda gesagt.
    Irgendwie anbetend und träumerisch, irgendwie verliebt.
    Aber sie war das Problem des Sheriffs, nicht seines.
    Denn sein Problem war: Was zur Hölle mache ich mit dem Schattending, das da aus dem Kirchturm kommt?
    Aber vielleicht war das ihr aller Problem, denn das sich herabsenkende Ding war voller scharfer Zacken.
    Der Schatten löste sich und flog über das Kirchdach; dann hing er in den Ästen des alten Hartriegels. David wandte den Blick ab, um in die Kirche zu sehen. Die Gemeinde lief auseinander und schrie, und für einen kurzen Moment sah David, wie Ronnie und Tim in den vorderen