Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
Sünder«, sagte Mama Bet.
»Amen«, sagten Haywood und Nell gleichzeitig. Haywood richtete den Knoten seiner roten Seidenkrawatte.
»Wir haben den Zorn Gottes verdient«, verkündete die alte Frau. Ihre Stimme zitterte, als sie lauter wurde.
Becca Faye hob ihre Hände und warf den Kopf in den Nacken: »Große Prüfungen werden kommen.«
Die Brüste der Frau schwollen gegen den Stoff ihrer Bluse, als sie ihren Rücken durchbog. Linda grinste höhnisch und fragte sich, für wen sich dieses Flittchen so zur Schau stellte. Archer war nicht hier und Gott war es völlig egal.
Die Luft im Raum war elektrisch aufgeladen, durchdrungen von Schweißgeruch und Spannung. »Einige von uns haben Verlust erlitten«, sagte Mama Bet.
Linda blickte zu ihren Cousinen. Sie senkten die Köpfe. Die Potters sahen sich auch gegenseitig an. Die alte Alma Potter, Zebs Schwester, unterdrückte ein Schluchzen.
»Aber trauert nicht um die, die gegangen sind«, sagte Mama Bet, die ihren Rhythmus fand. »Opfer sind die Währung Gottes. Sie sind Teil der Arbeit Archers. Wir müssen alle Opfer bringen, bevor es vollbracht sein wird.«
Aus Mama Bets Augen flossen Tränen. Archer war ihr Sohn, der letzte der McFalls. Linda wusste, dass alle Familien Verluste zu ertragen hatten. Aber die Verluste waren gerechtfertigt, denn alle von ihnen, die Greggs, Abshers, Buchanans und Mathesons, waren von der Sünde befleckt. Sie alle hatten an der Ermordung von Wendell McFall mitgewirkt.«
»Was machen wir mit dem Sheriff?«, fragte Lester. Es wurde still im Raum.
Mama Bet ergriff die abgenutzten Lehnen ihres Sessels. Ihre Finger krümmten sich, so als ob sie einen Krampfanfall hätte. »Archer wird sich um den Sheriff kümmern.«
»Es gibt noch andere, die gegen die Kirche sind«, sagte Becca Faye und starrte Linda an.
Linda errötete aus Wut und Scham. »Er ist mein Ehemann. Das Alte Testament sagt, dass man seinen Gatten ehren soll.«
Nicht, dass du wissen würdest, wie man einen Gatten ehrt. Das Einzige, das DU verehrst, sind die freigiebigen Cowboys, die dich Freitagabend aus dem Gulpin’ Gulch abschleppen.
»Was ist mit deinen Jungs?«, fragte Becca Fraye, deren Augen aus Freude über Lindas Unbehagen halb geschlossen waren. Die anderen Mitglieder der Gemeinde sahen mit Interesse zu. Ronnie und Tim waren die jüngsten Nachfahren der Familien, die vor mehr als einem Jahrhundert den Gottesmord begangen hatten.
Linda blickte aus dem Fenster auf die grünen Bäume im Sonnenschein, auf die dunklen Gebirgszüge, auf den Bach, der sich zwischen den Abhängen zum Fluss schlängelte. Sie wünschte sich, in Kalifornien geblieben zu sein. Dann wären Ronnie und Tim niemals geboren worden. Aber sie konnte sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen, auch wenn es ein Leben in Archers göttlichen Armen wäre.
»Ich bete für Archers Gnade«, sagte Linda schließlich. Becca Faye wusste keine Antwort auf diese einfache Bitte.
Sonny Absher beendete die Stille: »Sie müssen zahlen wie jeder andere auch.«
»Aber sie sind unschuldig«, sagte Linda nun schon wütend.
»Niemand ist unschuldig.«
Vor allem du nicht , dachte Linda, aber sie sollte sich kein Urteil über einen Bruder in der Sünde erlauben. In den Augen Archers waren alle gleich. Sie waren alle gleich schuldig und würden alle den gleichen Preis bezahlen müssen.
Nein, nicht genau den gleichen Preis. Sonny würde nur sein eigenes schäbiges Leben verlieren. Linda war mehr als bereit dazu, Archer ihr eigenes Leben zu schenken, wenn das für die heilige Sache nötig war. Sie verstand auch, dass David sterben musste, wenn er nicht aufhörte, sich einzumischen. Aber die Jungs...
Die Jungs sollten nicht für Sünden bezahlen müssen, die sie kaum berührten. Ihr Blut war fast rein. Aber auch Isaaks Blut war rein gewesen und trotzdem hatte ihn Abraham auf den Altar legen müssen.
Mama Bet versuchte aufzustehen und sank zurück in ihren Sessel. Zwei der Potter-Brüder traten zu ihr, um ihr auf zu helfen. Sie schwankte leicht, während sie sie festhielten.
»Gelobt sei Archer«, sagte sie. »Und jetzt geht. Wir sehen uns heute Nacht in der Kirche.«
»Gelobt sei Archer«, sagte Haywood Absher. Er war einer der letzten gewesen, die den Schoß der Baptistengemeinde verlassen hatten, aber er hatte sich Archers Heilsbotschaft so sehr verschrieben wie alle anderen. Oder zumindest gelang es ihm sehr gut, den Gläubigen zu spielen.
Linda stimmte mit den anderen in ein abschließendes »Amen« ein.
Die
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