Guardian Angelinos: Die zweite Chance (German Edition)
fliegen können!«
Zach ballte die Faust, doch Nino strich ihm beruhigend mit der Hand von der Wange bis zur Schulter hinunter, um dort einen leichten Druck auszuüben. »Kommt und trinkt ein Glas Wein.«
Wein würde nicht helfen. Der Wunsch, JP ins Gesicht zu schlagen, war ihm fast so vertraut wie das Atmen. Das letzte Mal, als dieses Klugscheißermaul Bekanntschaft mit Zachs Faust gemacht hatte, war vor etwa achtzehn Jahren gewesen, auf Zachs dreizehntem Geburtstag.
Diese Genugtuung war eine Woche Stubenarrest absolut wert gewesen.
In der Diele blieb Sam stehen und ließ das Puzzle aus Porträts und Familienfotos auf sich wirken, das mit der Treppe die Wände emporkletterte, aber Zach würdigte es kaum eines Blickes.
Natürlich war er selbst mehrfach auf der Familienwand zu sehen. Er und Vivi waren immer bei den anderen dabei, egal ob an Weihnachten oder im Familienurlaub. Vivi hatte sich perfekt in diese Familie eingefügt und ihr Verhältnis zu ihr nie von ihrer unorthodoxen Ankunft trüben lassen.
Anders als Zach, der diese nie vergessen hatte.
»Na, wen haben wir denn da?«, JP s Begrüßung klang schmierig und wie immer nach dem Akzent der Bostoner Society. Zach verharrte in der Diele, noch nicht bereit für die Konfrontation, und wartete, bis Nino Sam in das Familienzimmer gleich neben der übergroßen Küche führte. Beide bildeten zusammen einen riesigen Raum, der schon immer das Herz des Hauses gewesen war.
»Das ist Samantha Fairchild«, sagte Onkel Nino. »Zachs Freundin.«
»Hallo, Samantha.« Warum musste dieses Arschloch immer hier sein, um ihm das zu vermiesen, was ansonsten eine einigermaßen angenehme Art gewesen wäre, den Tag zu verbringen? »Bist du nicht Vivis Freundin?«
Ein Arschloch mit einem hervorragenden Gedächtnis.
»Ich habe früher im selben Haus gewohnt wie Vivi«, sagte sie unverbindlich. »Und ich war mal zum Geburtstag eures Vaters hier.«
»Aber das ist schon eine Weile her. Ich habe dich seitdem noch anderswo gesehen, da bin ich mir sicher.«
Zach tauchte hinter ihr auf und stellte sich neben sie. »Hör auf, sie zu verhören. Die Frau ist gerade erst die Tür reingekommen.«
»Ich verhöre sie nicht. Ich versuche nur, die zeitliche Reihenfolge zu rekonstruieren.« Er lächelte Sam an. »Das ist wohl der Kriminalbeamte in mir.«
»Du hast sie mit mir zusammen gesehen«, sagte Zach. »Vor meinem letzten Einsatz waren Sam und ich zusammen.«
»Genau. Du bist das Werbemädchen.«
»Na ja, ich bin – «
»Demnächst Jurastudentin in Harvard«, warf Zach ein. »Falls dir das was sagt.« Dann schob er sie in Richtung Küche und fort von JP . »Komm, Sammi. Hier drin riecht es viel besser.«
»Oh, allerdings.« Sie inhalierte lang und intensiv, den Arm immer noch um seine Taille geschlungen. Alles Teil der Verstellung, aber ihn störte es nicht. Es war sehr, sehr lange her, dass ihn eine Frau so angefasst hatte.
Eine lange Zeit, seit diese Frau ihn so angefasst hatte.
»Es duftet köstlich, Mr Rossi«, sagte sie.
»Onkel Nino«, korrigierte sie der Alte.
»Zach, ich komme gleich!« Die Stimme einer Frau erhob sich aus dem Esszimmer, wobei man Besteck auf Porzellan klappern hörte.
»Tante Fran«, flüsterte Zach. »Bereit machen für die Umarmung.«
Gleich darauf kam sie gemächlich aus dem Esszimmer, die rundlichen Arme weit ausgebreitet. »Es waren so viele Sonntage ohne dich.«
Wie viele? Fran zählte die Tage auf andere Weise als andere Menschen: zwei Teile schlechtes Gewissen und ein Teil Liebe. »Hallo, Tante Fran. Ich habe eine Freundin mitgebracht, um es wiedergutzumachen.«
Sie ließ ihn los und wandte sich Sam zu. »O ja, ich erinnere mich an dich!«
»Sam Fairchild«, sagte Sam und ließ sich von Fran umarmen. »Es ist schön, wieder hier zu sein.«
JP ging zur Terrassentür in den Garten hinaus, und Zach entspannte sich ein wenig. »Wo ist Marc?«, fragte er und lehnte sich an die Theke mit der Granitoberfläche, die rund um die Küche verlief.
»Der angelt unten am See, zusammen mit Onkel Jim«, sagte Fran. »Sam, kann ich dir was zu trinken bringen? Tee oder Wasser? Onkel Ninos Wein?«
Wie als Antwort ertönte von draußen das Kreischen einer Frau. »Nein, JP , wehe, du sagst es ihm! Du musst nicht immer den Scheiß-Bullen spielen. Hör auf damit!«
Auf Chessies Ausbruch hin wechselte Zach einen Blick mit Nino, der die Augen gen Himmel verdrehte. »Ich weiß«, murmelte Zach. »Er legt es heute wirklich drauf an.«
»Dann geh nicht darauf
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