Guardian Angelinos: Tödliche Vergangenheit (German Edition)
wissen, warum Sharon dieses Bild besaß. Und sie musste Sharon warnen, dass ihr Haus bespitzelt wurde und dass sie in großer Gefahr schwebte.
Aber wie?
Innerlich aufgelöst folgte sie dem Verlauf der dunklen Landstraße, rechts und links gesäumt von den tiefen Wäldern North Carolinas. Dr. Sharon Greenberg zu finden, war von einem Impuls zu einer Mission geworden. Belfast.
Zum Glück hatte sie ihren Pass mitgenommen.
2
Die Büros der frisch gegründeten Sicherheitsfirma und Detektei lagen direkt über Silk, einer Wäscheboutique für extravagante Dessous in der Newbury Street – schon deswegen fand Marc Rossi seinen neuen Job spitzenmäßig.
Er lümmelte sich vor dem Silk-Schaufenster herum und konnte sich nicht sattsehen an den goldfarbenen Tangas, Push-ups und Korsagen in aufreizenden Rottönen. Während er sich im Geiste eine Traumfrau vorstellte – mit verführerischer Reizwäsche und in High Heels –, vibrierte sein Handy. Er nahm an, ohne nach der Nummer des Anrufers zu schauen.
Er wusste sowieso, wer dran war.
»Ich kann genau sehen, dass du wieder du-weißt-schon-was anstarrst, Marc.«
Er trat einen Schritt zurück und grinste zu dem Erkerfenster im ersten Stock hoch, wo seine Cousine über der Brüstung lehnte, ein triumphierendes Lächeln auf ihrem scheinheiligen Gesicht.
»Tu dir keinen Zwang an. Sprich es ruhig aus, Vivi. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wieso mein Dad hier seine Büros hatte.«
»Irrtum, als Onkel Jim diese Räume nutzte, war das Silk noch ein chinesischer Waschsalon. Hey, was hältst du davon, wenn wir auf der Website der Guardian Angelinos den Slogan ›Wir sind direkt über den heißen Fummeln‹ hinzufügen?«
Marc lachte. »Gefällt mir.« Nach einem letzten wehmütigen Blick auf die verheißungsvollen, Fantasie beflügelnden Seidenteile zog er schwungvoll die Glastür auf, die in einen kleinen Flur führte, und lief die Treppe hinauf. In Back Bay, einem historischen Viertel Bostons, befanden sich über teuren, angesagten Geschäften vielfach Büroetagen und Wohnungen, die man über steile, enge Treppen oder klapprige Fahrstühle erreichte. »Das wird mir die Weihnachtseinkäufe enorm vereinfachen«, rief er nach oben.
»Ich trage Größe S. Sowohl BH als auch Höschen, leider.«
Er nahm zwei Treppenstufen auf einmal. »An dich hab ich dabei eigentlich nicht gedacht, Cousinchen.«
»Ist mir schon klar, dass du einen Haufen heiße Verehrerinnen beschenken musst«, konterte sie. »Aber mal was anderes. In zehn Minuten kreuzt dein FBI -Kumpel hier auf, und ich möchte, dass wir seriös wirken, wenn wir einem potenziellen neuen Kunden gegenübertreten.«
»Geht in Ordnung, Chefin.« Er erreichte das Ende der Treppe und steuerte durch einen schmalen Gang zu den vertrauten Büroräumen, in denen sein Vater fast zwanzig Jahre lang als Anwalt gearbeitet hatte, bevor er Richter wurde. Jim Rossi hatte den Mietvertrag seiner Top-Immobilie in Back Bay weiterlaufen lassen und die leer stehenden Räume großzügig Marcs Cousin und Cousine als Sitz für ihre neu gegründete Firma angeboten.
Im Flur wehte ihm ein schwacher Geruch nach Putzmitteln und Farbe entgegen, denn der offizielle Umzug hatte erst vergangenes Wochenende stattgefunden. Marc hatte nicht mithelfen können, weil er in seinem Waffengeschäft unabkömmlich gewesen war. Für gewöhnlich sprangen in solchen Fällen seine Manager für ihn ein, was ihm überdies die Freiheit gab, an seiner weiteren Karriere als Berater zu basteln – früher war er mit Leib und Seele FBI -Agent gewesen.
Als die Zwillinge Vivi und Zach Angelino ihr Unternehmen Guardian Angelinos gegründet und ihn gefragt hatten, ob er als Berater für sie arbeiten wolle, war er sofort dabei. Als Beweis für seinen Enthusiasmus hatte er der Firma ihren ersten Geschäftskontakt vermittelt.
Er machte die Tür auf, und der Geruch von frischer Farbe wurde stärker. Die Wände waren in Dunkelviolett und Gold gestrichen, außergewöhnliche Farben, die die ultrahippen Stühle und den Glastresen am Empfang fantastisch zur Geltung brachten.
»Leb wohl, Anwaltskanzlei Rossi, hallo, Guardian Angelinos«, sagte er mit einem weichen Lachen.
»Gefällt es dir?«, Vivi wirbelte vom Erkerfenster herum, ihr Lächeln strahlend wie die Septembersonne, die in den Raum flutete, ihre dunklen Augen glitzerten wie der Diamantstecker, den sie in einem Nasenflügel trug. »Zach findet es nämlich scheiße.«
Marc schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Dein Bruder ist eine
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