Gucci, Glamour Und Champagner
London?«
»Nein.«
»Warst du in London?«
»Ja, ganz kurz.«
Wieder eine lange Pause.
»Mein Akku ist gleich leer«, sagte Alex schließlich. »Kannst du dich bitte auf deinen Hintern setzen und nicht mehr vom Fleck rühren, bis ich zurück bin?«
Ich nickte emphatisch.
»Nickst du etwa am Telefon?«, fragte er.
»Ja.«
»O.k.«
Und er legte auf.
Neunzehn
Ich starrte das Telefon an und überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Am liebsten hätte ich ihm eine SMS geschrieben und mich dafür entschuldigt, ihn auf eine sinnlose Suche nach London geschickt zu haben, doch ich hatte keine Ahnung, wie man das mit einem iPhone machte, und Graham wollte ich nicht fragen. Wenn außerdem der Akku von Alex’ Telefon leer war, würde er die Nachricht ohnehin nicht bekommen. Verdammt. Ich fühlte mich wie das fünfte Rad am Wagen. Nachdem ich mir an der Bartheke einen Kaffee geholt hatte, setzte ich mich an einen leeren Tisch und holte meinen iPod und meinen Laptop heraus. Eigentlich wollte ich nur noch schlafen bis Alex kam, und rechtzeitig aufwachen, um ihn auf die Bühne kommen zu sehen, wo er mich vor den versammelten Musikfans von Paris in die Arme nahm und mir eine Liebeserklärung machte. Aber angesichts der Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden war die Wahrscheinlichkeit dafür genauso groß wie die, dass ich auf die Bühne trat, um für ihn einzuspringen, sollte er es nicht schaffen, rechtzeitig zum Auftritt der Band zurück zu sein.
Mein Laptop zeigte beim Öffnen genau die Seite, an der ich vor Stunden am Gare du Nord gearbeitet hatte. Was ich dort am Morgen geschrieben hatte, las ich mehrmals durch. Alles stimmte noch, ich war diese Woche wirklich von einem Mädchen nach Strich und Faden verscheißert worden, wenngleich es keiner so schön vermasselt hatte wie ich selbst. Ich löschte den Text, sodass ich wieder eine leere Seite vor mir hatte und begann von Neuem.
Angelas Abenteuer: Wisse, wer dein Feind ist
Zeit zum Beichten. Nun schreibe ich diesen Blog zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Stunden und bin in Sorge, es könnte mein letzter sein. Um eine sehr lange Geschichte kurz zu machen (das hier ist schließlich nur ein Blog) – als ich diese Woche nach Paris kam, schwebte mir vor, mit dem Fahrrad an der Seine entlangzufahren, Händchen haltend mit Brooklyn-Boy durch den Louvre zu schlendern und vor allem alles Essbare zu genießen, was mir begegnete, doch stattdessen bekam ich etwas völlig anderes vorgesetzt.
Anstatt La Vie en Rose bekam ich La Vie en Müll. Zwischen transatlantischen Auseinandersetzungen mit meiner besten Freundin sowie einer kompletten Psychopathin, die mir meinen Freund wegzunehmen versuchte, und einer anderen, die mir meinen Job wegzunehmen versuchte, und einem heftigen Anfall Heimweh blieb mir wirklich nicht viel Zeit für Küsse auf der Pont Neuf oder macarons bei Ladurée. Die Woche gestaltete sich ziemlich hektisch. Und jetzt sitze ich hier und versuche herauszufinden, was verdammt da eigentlich los war. Ich komme nicht umhin mir einzugestehen, dass ich, hätte ich mehr Vertrauen in meine eigenen Entscheidungen und in mich selbst gehabt, wenigstens ein paar der Probleme hätte vermeiden können, und es ist gut möglich, dass ich jetzt nicht im Backstage-Bereich des Hauptplatzfestivals von Arras säße und aussähe wie etwas, das Wurzel, die Vogelscheuche, ausgekotzt hat. Wenigstens ist mein Veilchen jetzt mehr oder weniger verblasst – Erklärung folgt später.
Von nun an werde ich die Sache anders angehen. Ich werde den Leuten nur noch sagen, was ich denke, das tun, was ich tun möchte, und sehen, was dann passiert. Que sera, sera und so weiter. Hoffentlich werde ich dazu in der Lage sein, Euch wissen zu lassen, wie es funktioniert …
Ich drückte auf Senden und hoffte das Beste, schloss meinen Laptop und trank meinen Kaffee. Graham und Craig waren noch nicht zurück und vermutlich mit dem Soundcheck beschäftigt, also legte ich meinen Kopf nur für eine Minute auf meine Unterarme, schloss die Augen und lauschte der beschwingten Musik, die von der Bühne kam.
»Angela?«, flüsterte ein zartes Stimmchen von oben.
Ich öffnete die Augen und stellte dabei fest, dass ich noch immer kopfüber auf dem Tisch lag, und zwar schon geraume Zeit, den schwarzen Schmierflecken auf meinen Armen nach zu urteilen. Die Musik, die jetzt aus den Backstage-Lautsprechern wummerte, hatte nichts mehr gemein mit dem Schlafliedchen, das gehört zu haben ich mich erinnerte,
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