entschloss ich mich, den Rat meines sechsjährigen Neffen Cam einzuholen. Der erwies sich als wahre Fundgrube und erklärte mir, er erwäge eine Karriere als »Banker wie Onkel Joe, Maler wie Jackson Pollock oder Sachenfinder wie der Mann im Supermarkt, der einem hilft, wenn man was sucht«. Tja, auch wenn diese Ideen in der Theorie ganz gut klingen mögen, kann ich leider nicht besonders gut mit Geld umgehen, habe keinerlei künstlerisches Talent und brauchte kürzlich ganze fünfundzwanzig Minuten, um im Jewel-Supermarkt um die Ecke eine Dose Oliven zu finden, weshalb ich denke, diese Beschäftigungen kommen für mich allesamt nicht in Frage.
Dann habe ich Max interviewt, Cams vierjährigen Bruder, wie seine Zukunftspläne so aussehen. Max möchte, wenn er groß ist, Häuser anmalen, einen Truck fahren oder »dich auf deinen blöden Kopf hauen« 157 . Sarah, die zweijährige Schwester der beiden, konnte mit keinen brauchbaren Vorschlägen aufwarten, denn das Einzige, was sie herausbrachte, war: »Is mag Sʹlangen! Is mag Sʹlangen! Is mag Sʹlangen!« Ich hasse Schlangen, weshalb ein Job in einem Reptilienhaus nicht unbedingt das Richtige für mich wäre.
Die drei sind die einzigen Kinder, die ich kenne, also entschloss ich mich, mir noch mal meine diversen College-Abschlüsse anzuschauen, ob sich da nicht unverhofft noch ein paar Karrieremöglichkeiten auftun. Ich habe einen Abschluss in Politikwissenschaft … habe aber schon als Kellnerin gearbeitet und war dabei gar nicht mal so gut. Angeblich bin ich »nicht freundlich genug« 158 .
Vorher hatte ich Archäologie studiert, bis mein Vater mir nachdrücklich empfahl, das Studienfach zu wechseln. Er war nämlich der Meinung, ich würde ohnehin alles hinschmeißen, sobald ich in der Wüste ankam und feststellte, dass es viel zu heiß war, um ungeschützt im Sand zu buddeln. 159 Inneneinrichterin steht auch außer Frage, weil mir nur ein einziger Einrichtungsstil gefällt. Meine Kunden hätten die ewig gleichen rosa Wände und Teerosendrucke sicher bald satt.
Mein einziger anderer Studiengang war Journalistik, und obwohl ich wirklich für mein Leben gern schreibe, habe ich dieses Studium abgebrochen, weil ich nach meinem Abschluss mehr als 17 000 Dollar im Jahr verdienen wollte. Außerdem glaube ich, dass es bei den meisten Zeitungen nicht gerne gesehen wird, wenn man nur über sich selbst schreibt, was zugegebenermaßen mein Lieblingsthema ist.
Was mich zu dem Schluss bringt, dass der ideale Job für mich der wäre, in dem ich scharfsinnige Essays über mein eigenes Leben schreiben darf und mein Arbeitgeber mir dafür so viel Geld bezahlt, dass ich mir ein angenehmes Leben und jede Menge schicker Schuhe leisten kann.
Bitte melden Sie sich und sagen Sie mir, wohin ich meine Bewerbung schicken soll.
An:
[email protected] Von: Adam
Datum: 15. April 2003
Betreff: Loser
Jen,
ich heiße Adam und arbeite zurzeit für [GIGANTISCHER AME-RIKANISCHER AUTOHERSTELLER] in Michigan. Ich habe mich für ein Ingenieursstudium entschieden, weil es mir Spaß macht und es in dieser Gegend jede Menge Stellen für Ingenieure gibt. Bei uns gibt es auch Ingenieurinnen. Sie sind in unserer Branche eine Minderheit, bekommen für denselben Job mehr Geld als ich und werden in einem geradezu beängstigendem Tempo befördert.
Warum zum Geier haben Sie einen Abschluss in Politikwissenschaft, wo Sie doch in Chicago leben? Wenn Sie mit dem Diplom was anfangen wollen, müssen Sie in die Gegend um Baltimore/D.C. ziehen. Außerdem braucht man mindestens einen Master, um einigermaßen davon leben zu können. Sie behaupten doch von sich, ein intelligenter Mensch zu sein, also gehen Sie raus, und suchen Sie sich einen Job, ziehen Sie wieder zu Ihren Eltern, schreiben Sie sich an der Uni ein, und machen Sie einen richtigen Abschluss. Oder tun Sie das, was die meisten Frauen tun: Suchen Sie sich einen Mann, der Sie aushält, während Sie studieren.
Adam
An: Adam
Von:
[email protected]Datum: 15. April 2003
AW: Betreff: Loser
Hallo, Adam,
ich habe schon länger keine Hassmails mehr bekommen und hatte schon ganz vergessen, wie belebend die sein können. Herzlichen Dank also für Ihre Zuschrift! Zu Ihrem Glück haben Sie mich an einem guten Tag erwischt, weshalb ich Sie jetzt nicht mit meinen üblichen vernichtenden Spekulationen bezüglich der Ursache ihres unterschwelligen Frauenhasses überschütte. Nein, die Worte »latente Homosexualität« kommen mir nicht