Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
wir uns alle anschauen können, bis Sie ganz bestimmt wissen, ob Sie tatsächlich das perfekte Kleid gefunden haben«, entgegnet Soheila freundlich.
»Nein, das ist es. Ich bin mir ganz sicher. Es ist bloß …« Ich verstumme etwas ratlos.
»Bloß was? Jennifer, ist das auch wirklich Ihre erste Wahl? Bitte überstürzen Sie diese Entscheidung nicht. Ich habe genug Zeit, Ihnen das Kleid zu nähen, das Sie wirklich haben wollen.«
»Nein, das ist es. Ich will es. Ich finde das Kleid wunderbar. Bloß mit der Farbe bin ich mir nicht so ganz sicher.«
»Wenn Ihnen das strahlende Schneeweiß zu grell ist, können wir auch Elfenbein oder Eierschale nehmen.«
»Nein, die Farben sind für mich auch nicht das Richtige«, gebe ich zurück. Soheila holt ein Stoffmusterbuch, das sie mir in den Schoß legt.
»Was stellen Sie sich denn vor? Das hier ist eine herrliche Dupionseide in Ecru. Der schwere Stoff würde hervorragend zur Schnittführung des Kleides passen. Oder vielleicht wäre Ihnen etwas Leichteres mit einem ganz zarten Hauch eines Pastelltons lieber?«, fragte sie und hält mir ein babyrosa Taftstückchen hin.
»Ja, ganz hübsch, aber …«
»Jennifer, das ist ein einmaliges Ereignis in Ihrem Leben. Sagen Sie mir, was Sie sehen, wenn Sie sich Ihre Traumhochzeit vorstellen.«
Also schließe ich die Augen und versuche, mir den großen Tag bildlich vorzustellen. Fletch, glücklich und gutaussehend in seinem weißen Smoking, wirbelt mich anmutig über den Parkettboden. 87 Mit den kurz geschorenen Haaren und der angesagten Hornbrille erinnert er mich irgendwie an einen Astronauten aus den sechziger Jahren. Mein ganzer Look ist der von Jaqueline Lee Bouvier Kennedy aus der Camelot-Ära, und ich trage die Haare zu einem zuckersüßen dicken Dutt mit Gardenien hochgesteckt. Geschminkt bin ich mit ausdrucksvollem schwarzem Eyeliner, märchenhaft langen falschen Wimpern für perfekte Rehaugen und zartrosa Lippenstift. Nein, lieber nicht. Mit hellem Lippenstift sehe ich immer aus, als hätte ich gerade puderzuckerbestäubte Donuts gegessen. 88 Wir sehen aus wie Barbie und Ken um 1962. An seinem Arm schwebe ich über die Tanzfläche und drehe mich in einem – JETZT HAB ICH’S!
»Schwarz! Das ist es! Ich sehe mich in einem schwarzen Kleid.« Ich verstumme und warte auf ihre Reaktion. Noch nie habe ich gehört, dass jemand zu seiner Hochzeit Schwarz trägt, vor allem nicht bei der ersten Hochzeit.
Soheila starrt eine Weile ins Leere und beginnt dann, langsam zu nicken. »Ein schwarzes Hochzeitskleid. Ja. Ja, ich denke, das ist eine gute Idee. Das wird ein Blickfang, aber ganz unkonventionell.«
»Ganz genau!«
»Dann sollte ich jetzt Ihre Maße nehmen«, sagt sie.
Als sie von dem schwarzen Kleid hört, liegt meine Mutter mir augenblicklich in den Ohren, es mir doch noch mal zu überlegen. »Aber du würdest in Weiß bestimmt ganz zauberhaft aussehen. Ich habe mir immer vorgestellt, wie du in einem schneeweißen trägerlosen Brautkleid mit langer Schleppe und perlenbestickter Korsage heiratest.« Ich bin zuhause bei meinen Eltern, um Hochzeitseinladungen zu adressieren und den Cadillac abzuholen. Bei unseren Telefonaten in den letzten Wochen habe ich jedes Mal unauffällig das Thema gewechselt, sobald die Rede auf mein Brautkleid kam. Mit voller Absicht habe ich ihr bis heute nicht im Detail erzählt, wie das Kleid aussehen wird, denn jetzt ist es endgültig zu spät für irgendwelche Änderungen. Wie erwartet ist sie von meiner Wahl nicht sonderlich begeistert.
»Nichts von dem, was du da gerade beschrieben hast, würde mir gefallen oder besonders gut stehen«, gebe ich zu bedenken. Mit den Füßen stoße ich mich vom Beckenrand ab und paddele meine Luftmatratze geradewegs in den Sonnenfleck, der auf dem Wasser im tiefen Teil des Beckens tanzt. Es sind nur noch zwei Monate bis zur Hochzeit, also habe ich Lichtschutzfaktor null aufgetragen und röste in der Sonne wie ein Hähnchen am Spieß. Schlank werde ich an meinem Hochzeitstag zwar nicht sein, aber das mache ich durch meine knackige Bräune wieder wett.
»Und wenn du dir für die Trauung das Kleid in Weiß anfertigen lässt und das schwarze anschließend zur Feier trägst?«, schlägt sie vor, während sie neben mir her schwimmt.
»Wie oft müssen wir das jetzt noch durchkauen? Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich das schwarze Kleid trage. Ich möchte was Unkonventionelles«, erkläre ich. Bis auf die Wahl des Kleides hat meine Mutter sich bisher
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