Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gucci war gestern

Titel: Gucci war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jen Lancaster
Vom Netzwerk:
Taschenlampe, Atemmaske und Wasserflasche. Weißt du, was diese Entdeckung bedeutet? Das bedeutet, dass meine Paranoia nicht grundlos ist, und das hat mir eine Heidenangst eingejagt.«
    »Was hast du dann gemacht?«
    »Den Rest des Nachmittags habe ich gegen meine Panikattacken angekämpft. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, habe ich mir beinahe in die Hose gemacht vor Schreck.«
    »Wie ätzend.«
    »Was du nicht sagst. Wenn das so weitergeht, brauche ich morgen einen Defibrillator, um mich nach meinem vierhunderteinunddreißigsten Herzinfarkt wiederzubeleben. Und womöglich ein trockenes Höschen.«

    Webeintrag vom 31.07.2003
    Spione wie ich
    Während ich mich von dem erschreckenden Gedanken abzulenken versuche, dass die Miete morgen fällig ist und wir sie UNTER GAR KEINEN UMSTÄNDEN irgendwie aufbringen können, habe ich eine E-Mail bekommen mit der Bitte um neuen Klatsch und Tratsch aus der Nachbarschaft. Dieser Aufforderung komme ich nur zu gerne nach - eine wunderbare Ausweichhandlung, um der Sorge um wesentlich drängendere Probleme für eine kleine Weile zu entgehen.
    Vor ein paar Tagen habe ich doch tatsächlich gehört, wie diese schrecklichen Leute in der Wohnung unter uns es getan haben , und
zwar um halb sechs nachmittags. 184 Okay, wenn ich gerade mitten in einer finanzbedingten Panikattacke stecke, ist das ALLERLETZTE, was ich hören will, ein schmuddeliges Hippie-Pärchen, das rammelt wie die Karnickel. Man kann es mir also wohl kaum verübeln, dass ich gebrüllt habe: »Würdet ihr Fleisch essen, hättet ihr vielleicht ein bisschen mehr Ausdauer!«, als sie fertig waren, oder?
    Wie dem auch sei, heute ist der Himmel strahlend blau, und ich habe den ganzen Nachmittag draußen verbracht. Ich lümmelte mich gerade auf meinem Liegestuhl mit Blick auf die Seitengasse, als ich die zwölfjährige chinesische Turnerin/Millionärin vor dem Haus nebenan vorfahren sah. 185 Das Auto war bis unters Dach vollgepackt mit ihren Siebensachen, und es sah ganz danach aus, als wolle sie endlich ihr neues Domizil beziehen. Aber nichts da … die Bude war noch gar nicht fertig! Was ich deshalb so genau weiß, weil ihre kleinen Lungenflügelchen doch erstaunlich kraftvoll sind und ich deshalb jedes Wort verstehen konnte, das sie dem Bauunternehmer entgegenbrüllte. Das Mädel war STINKSAUER.
    Irgendwann rauschte sie dann ab mit einigen letzten »Vertragsbruch«, »Anwalt« und »morgen, sonst …«, die sie empört über die Schulter kreischte. Das war der Zeitpunkt, als ich endgültig mein Buch zusammenklappte und aufhörte, so zu tun, wie wenn ich lesen würde, denn die Dramen des wahren Lebens sind doch wesentlich spannender als jede fiktive Geschichte. Ich schaute also unverhohlen zu, wie der Bauunternehmer regelrecht an die Decke ging und wütende Befehle in sein Handy kläffte. Innerhalb von nicht mal fünf Minuten tauchte ein Dutzend seiner Anverwandten an der Hintertür auf, bis an die Zähne bewaffnet mit Putzutensilien.
    Als Erstes sah ich eine Handvoll kleiner Kinder mit zartem slawischem
Teint und zuckersüßen weißblonden Strähnchen in den hellen Haaren, für die ich meine eigene Großmutter verkauft hätte. Als Nächstes fiel mein Blick auf einen alten polnischen Hippie, der in der typischen Kluft aus Batik-T-Shirt, Birkenstock-Sandalen und graumeliertem Pferdeschwanz vorbeischlurfte. 186 Dazu kam dann der Kerl, den wir Onkel Ein-Hemd nannten, aufgrund seiner Vorliebe für bestimmte Teile der Herrenoberbekleidung, die er eine ganze Woche lang tagaus, tagein trug. Ich habe ihn inzwischen in mindestens einem halben Dutzend unterschiedlicher Outfits gesehen, aber aus irgendeinem Grund wechselt er die nicht täglich, sondern wöchentlich. Er ist der Einzige, der meines Wissens in letzter Zeit überhaupt etwas an dem Haus gemacht hat, und seine Tätigkeit beschränkte sich darauf, eine leere Schubkarre zwischen Haus und Seitengasse hin und her zu schieben. Sehr seltsam.
    Einige andere Verwandte marschierten ebenfalls vorbei, mit der Oma als Schlusslicht. Sie ist Mitte siebzig und trägt normalerweise ein Kopftuch, weshalb wir uns beinahe in die Hose gemacht hätten vor Lachen, als sie eines Tages mit einem T-Shirt auftauchte, auf dem das Konterfei von Robert Smith von The Cure prangte. Woraufhin ich mich fragte, ob die Oma vielleicht eine sehr hippe Indie-Rockerin war, weshalb ich dauernd den Text von »Boys Don’t Cry« und »Head on the Door« und »Just Like Heaven« vor sich hin murmelte, während sie

Weitere Kostenlose Bücher