Gucci war gestern
im Garten hinter dem Haus herumwerkelte. Ich hoffte auf einen Blick stillschweigenden Verständnisses und womöglich einen gereckten Daumen, doch sie ignorierte mich einfach, weswegen ich annehmen muss, dass sie kein Wort von dem verstand, was ich da von mir gab.
Den Rest des Nachmittags saß ich im Liegestuhl, nippte Traubensaft und beäugte von meinem Beobachtungsposten heimlich die Vorgänge nebenan. Dazu hatte ich den Sonnenschirm so heruntergebogen, dass er mir maximale Deckung bei meinem Spionageeinsatz garantierte. Irgendwann kam Cousin Doofbacke auf die glor-reiche
Idee, sämtliche Anwesenden mit dem Hochdruckreiniger nass zu spritzen, und ich musste schnell ins Haus flüchten, damit sie mich nicht röhren hörten. Das Gleiche passierte, als ich die Oma den ungehobelten Kiefernholzzaun mit Universalreiniger schrubben sah. Aber mal ganz ehrlich, eigentlich fand ich es richtig cool, dass die ganze Familie so zusammenhielt, damit alles endlich fertig wurde. Irgendwie war das ziemlich klasse.
Obwohl sie mir phasenweise den letzten Nerv geraubt haben, bin ich fast ein bisschen traurig, dass sie jetzt weg sind. Aber meine Spionageabenteuer sind noch nicht vorbei. Gerade hat ein mexikanischer Bautrupp an einem neuen Projekt ein Haus weiter zu werkeln begonnen, und diese Dreckskerle haben die Mülltonnen von unserem Parkplatz geklaut …
… Das Spiel geht in die nächste Runde.
»Entschuldige, Jen. Ich will ja jetzt nicht herzlos klingen; ich sage dir schlicht und ergreifend die Wahrheit. Der Brunnen ist leer. Ich habe getan, was ich konnte. Mehr kann ich einfach nicht entbehren«, erklärt meine Mutter mir.
»Und daran ist nicht zu rütteln? Wir könnten es dir auch ganz bestimmt bald zurückzahlen. Wir warten nur noch darauf, dass Fletchs Leumundsüberprüfung über die Bühne geht, und danach sagt die Firma ihm, wann er anfangen kann. Es kann sich nur noch um Tage handeln.« Gerade bettele ich - leider erfolglos - meine Mutter um einen Kredit an, damit wir unsere Miete bezahlen können. Obwohl man uns glaubhaft versicherte, dass Fletch den Job in der Tasche hat, sind alle Beteiligten äußerst skeptisch, meine Mutter ganz besonders.
»Augenblicklich blättere ich schon die Hälfte meines Gehaltsschecks hin, um deine Hochzeit abzubezahlen, und ich habe dir bereits jeden Cent geliehen, den ich auf dem Sparbuch hatte. Ich
würde ja gerne mehr tun, aber das kann ich nicht. Also würde ich vorschlagen, ihr fangt an zu packen. Ihr könnt gerne hier einziehen, bis ihr wieder auf eigenen Füßen steht. Das Gästezimmer steht schon bereit.«
»Und Dad? Meinst du, der könnte uns einen kurzfristigen Kredit geben? Mit Zinsen? Kannst du ihn nicht mal fragen?« Woraufhin sie den Hörer hinlegt und man gedämpfte Stimmen hört, durchsetzt mit herzhaftem Gelächter. Das kann nichts Gutes bedeuten.
»Du hast es sicher schon gehört. Wenn nicht, er hat eindeutig nein gesagt.«
»Trotzdem nett, dass du es versucht hast. Danke, ich halte euch auf dem Laufenden.«
Meine Eltern um einen Kredit zu bitten war meine letzte Hoffnung. Inzwischen habe ich wirklich ALLES versucht, um das Geld für die Miete zusammenzukratzen. In der Spenderzentrale wollte niemand meine Eizellen kaufen, weil ich zu alt bin, obwohl ich ihnen gesagt habe, es sei ein großer Räumungsverkauf, und für nur 5000 Dollar könnten sie ALLES haben, was noch da ist.
Ich habe sogar versucht, meinen Verlobungsring zu verkaufen, aber da ich kein Echtheitszertifikat für den Diamanten habe, will niemand mir den Preis bezahlen, den er wert ist. Ich bin unsagbar frustriert, da ich genau weiß, dass wir bloß schlappe 1000 Dollar brauchen, um über die Runden zu kommen, doch all meine Ressourcen sind erschöpft. Sämtliche anderen Möglichkeiten, an Bares zu kommen, sind a) illegal, b) gefährlich und c) unglaublich widerwärtig, weshalb sie d) vollkommen außer Frage stehen.
Nicht dass es so schrecklich wäre, wieder bei meinen Eltern zu wohnen, auch wenn mir meine Freunde aus Chicago fehlen würden. Aber ich habe das ungute Gefühl, wenn wir jetzt zurück nach Indiana gehen, dann verbauen wir uns die letzte Chance, in absehbarer Zeit wieder in unser altes Leben zurückzukehren.
Und das meine ich nicht in materieller Hinsicht; hätten wir es noch mal zu tun, ich glaube, wir würden es ganz anders angehen. Unsere Werte haben sich grundlegend geändert, und wir haben unsere Ansprüche drastisch nach unten geschraubt. Diors neueste Lipglossserie kann mir
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