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Gucci war gestern

Titel: Gucci war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jen Lancaster
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beeindruckt. Und ich wollte unbedingt ein für alle Male meine kleinbürgerlichen Wurzeln hinter mir lassen.
    Als ich Calvin und den Rest der Truppe kennenlernte, war ich hin und weg, wie klug und schlagfertig und weltgewandt sie alle waren. 189 Die waren alle in wohlhabenden Städtchen aufgewachsen wie Newport und Greenwich und Alexandria. Jedenfalls hatte keiner von denen seine Teeniejahre in einem Kuhdorf in Indiana verlebt so wie ich! Und die hatten alle schon Sachen gemacht, von denen ich bisher nur in irgendwelchen Romanen gelesen hatte. Die waren auf Privatschulen gewesen, hatten die Sommerfrische an diversen Caps verbracht und waren auf Yachten übers Meer geschippert. Wohingegen ich den Sommer meistens damit zugebracht hatte, Laub aus dem Pool meiner Eltern zu fischen. Zugegeben, das Schicksal kann es schlimmer mit einem meinen, als einen eigenen Pool im Garten zu haben, den man sauber machen muss, aber das wusste ich damals noch nicht.
    Ich hatte noch nie zuvor jemanden kennengelernt, der eine Dose Little-Kings-Bier auf ex trinken UND Arthur Miller zitieren konnte UND den ganzen Schrank voller Alexander-Julian-Hemden hatte. Natürlich verknallte ich mich Hals über Kopf in Cal, denn in meinen Augen einer Siebzehnjährigen war er einfach alles, was ich für »cool« hielt. Seine Freundin wollte ich aber trotzdem nicht sein, weil ich nicht im Traum daran gedacht hätte, er könne mich auch nur zur Kenntnis nehmen. (Irgendwie ironisch, wenn man bedenkt, dass ich damals gertenschlank war und während meiner Highschoolzeit bei diversen Misswahlen angetreten bin.) Stattdessen setzte ich meine entzückende Zimmergenossin
Joanna auf ihn an und erlebte ihren harmlosen Flirt sozusagen aus zweiter Hand mit.
    Aber ich wünschte mir so sehr, von ihm akzeptiert zu werden. Immer war er eher widerwillig freundlich zu mir, aus Respekt meinem Bruder gegenüber und weil er gut erzogen war. Hätte man diese beiden Faktoren abgezogen, hätte ich in seiner Welt überhaupt nicht existiert. Und doch wollte ich so gerne um meiner selbst willen anerkannt werden. Ich habe alles in meiner Macht Stehende versucht, mir seinen Respekt zu verschaffen, und habe dabei gar nicht gemerkt, dass ich für ihn nur ein Fußabstreifer war, weshalb wir uns nie auf Augenhöhe begegnen würden. So habe ich mich beispielsweise als Gegenleistung dafür, dass ich in seinem Zimmer im Verbindungswohnhaus abhängen DURFTE, freiwillig als Laufbursche zur Verfügung gestellt und alle möglichen Sklavenarbeiten übernommen. »Da fehlt ein Knopf an deinem Hemd? Ich mache das schon!« »Du willst ein paar hübsche Erstsemestlerinnen auf deiner nächsten Party haben? Dein Wunsch ist mir Befehl!«
    Aber lange habe ich mich nicht als Arbeitssklave ausbeuten lassen. Je mehr eigene Freunde ich fand, desto selbstbewusster wurde ich. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich war noch immer schwer beeindruckt von ihm. Nur ließ ich es mir nicht mehr so anmerken. 190 Wie dem auch sei, irgendwann machte Cal seinen Abschluss, und bis zur Hochzeit meines Bruders sah ich ihn nicht wieder, obwohl ich hin und wieder die eine oder andere Neuigkeit aus seinem angeblich ach so tollen Leben hörte.
    Als Cal und seine Kumpels sich dann bei der Hochzeit meines Bruders aufführten wie eine Horde wildgewordener Affen - UND DAS MIT MITTE DREISSIG -, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, und ich fragte mich ernsthaft, wie um alles auf der Welt ich je den Boden hatte anbeten können, auf dem er wandelte.

    Ich meine, mal ehrlich, auf welchem Planeten in diesem Sonnensystem gilt denn bitte ein gefälliges siebzehnjähriges Mädel als unliebsamer Klotz am Bein?
    Soweit ich mich erinnern kann, waren die letzten Worte, die ich vor dieser E-Mail mit Cal gewechselt habe: »Calvin, würdest du bitte verdammt noch mal die Schnauze halten, damit wir endlich die Fotos machen können?«
    Die siebzehnjährige Jen wäre am Boden zerstört gewesen, hätte sie so eine herablassende Mail von Calvin, dem Großen bekommen, auch wenn er sie damit bloß ein bisschen aufziehen wollte.
    Aber Jen mit fünfunddreißig? Die mit dem dicken Hintern? Die im Ghetto wohnt und einen Pitbull hat und GERNE die Poloshirts aus dem Billigladen trägt? Die keinen Job hat und mit einem stinknormalen Kerl aus Indiana verheiratet ist?
    Die hat bloß laut gelacht.

    An: Cal Canter
Von: [email protected]
Datum: 12. September 2003
Betreff: RE: Little Blaster
     
    Hi, Cal,
    als ich Deinen Namen in der Kopfzeile der Mail gesehen

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