Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
Kühlschrank quelle über vor frischen und gesunden Lebensmitteln. Gegebenenfalls sei ich auch in der Lage, ein improvisiertes Abendessen zuzubereiten.
Sie sagte lediglich: Gut, dann lass uns zu dir gehen. Und ich dachte, die Rebellion meines Gewissens gnadenlos unterdrückend: Was ist eigentlich dabei? Es musste ja nicht unbedingt was passieren. Und überhaupt: Wer war denn schuld an dem Ganzen? Wer hatte denn vor dem Büro auf mich gewartet, mich zu einer Spazierfahrt eingeladen und schließlich vorgeschlagen, zu mir zu gehen? Das war doch alles sie gewesen. Ich konnte nichts dafür. Und ging es nach mir, würde nichts passieren.
Hirnrissige Gedanken, die mich auf der gesamten Fahrt zu meiner Wohnung beschäftigten.
»Was ist das denn?« war das Erste, was sie sagte, als sie bei mir eintrat. Sie meinte den Boxsack mitten in dem Raum, der Diele und Wohnzimmer in einem war. Ich muss zugeben, ein etwas bizarrer Einrichtungsgegenstand.
»Eine von meinen Neurosen. Wenn ich abends nach Hause komme, dresche ich eine halbe Stunde auf ihn ein. Das finde ich besser als Alkohol, Drogen oder Frau und Kinder verprügeln. Die ich ja auch gar nicht habe.«
»Es ist jedenfalls schön hier. Magst du’s, wenn Bücher auf dem Boden herumliegen, oder ist das einfach nur Schlamperei?«
Ihre Frage bezog sich auf die Büchertürme, die rings ums Sofa und übers ganze Zimmer verteilt waren. Ich hatte nie darüber nachgedacht, aber ich meinte, ja, ich fände es schön, wenn Bücher auf dem Boden herumlägen, so leisteten sie mir Gesellschaft.
Natsu entdeckte die Küche und wollte hineingehen.
»Wo willst du hin?«
»Nachsehen, was du im Kühlschrank hast, und uns was zu essen machen.«
Mit einer gewissen Überheblichkeit entgegnete ich ihr, dass ich ihre Kochkünste ja nun schon kenne; jetzt müsse sie mit meinen vorliebnehmen, ob es ihr passe oder nicht. Dieses Risiko sei sie nun mal eingegangen, indem sie mitgekommen sei. Wenn sie wolle, könne sie mir beim Kochen zuschauen; aber sie durfte unter keinen Umständen etwas anrühren.
Allzu viel hatte ich nicht im Haus, und das mit den frischen Lebensmitteln in meinem Kühlschrank war weit übertrieben. Aber immerhin hatte ich alle Zutaten für eine meiner Spezialitäten: Spaghetti à la Felix Krull . Der Name des Gerichts war ein Wink mit dem Zaunpfahl; er verriet, dass der Koch – in diesem Fall ich – ein Hochstapler war.
»Mehr als ein Nudelgericht bringe ich ohne Vorankündigung nicht zu Wege.«
Ehrlich gesagt auch mit Vorankündigung nicht. Aber das verschwieg ich.
»Pasta und Wein sind völlig in Ordnung. Wie bereitest du die Nudeln denn zu?«
»Das wirst du schon sehen«, sagte ich in einem Ton, der mir augenblicklich lächerlich vorkam. Wer zum Teufel glaubst du eigentlich, dass du bist, Guerrieri? Der Bocuse von Bari? Idiot, diese Frau ist Köchin von Beruf. Und jetzt mach dich lieber an die Arbeit, bevor du noch mehr Mist verzapfst.
Ich gab Öl in eine Pfanne und schwitzte Knoblauch und Chilischoten darin an. Während die Spaghetti kochten, rieb ich Pecorino-Käse, hackte Basilikum, entsteinte und zerkleinerte schwarze Oliven. Dann gab ich die al dente gegarten Nudeln in die Pfanne, vermischte sie mit den übrigen Zutaten und streute den Käse darüber.
Natsu meinte, sie finde es schön, mir beim Kochen zuzusehen, und ich spürte bei diesen Worten ein herrliches und gefährliches Kribbeln. Deshalb erwiderte ich nichts, deckte nur rasch den Tisch, bat sie, sich zu setzen, und trug die etwas zu voll geratenen Teller auf.
Wir aßen, tranken und plauderten über nichts Bestimmtes, während der Sandsack uns aus nächster Nähe beobachtete.
Als wir mit dem Essen fertig waren, legte ich Shangri-la von Mark Knopfler auf. Dann nahm ich mein Glas und setzte mich aufs Sofa. Natsu blieb am Tisch sitzen. Als sie bemerkte, um welches Album es sich handelte, meinte sie, Postcards from Paraguay gefalle ihr besonders gut. Ich stellte mein Glas auf dem Boden ab, streckte den Arm nach der Stereoanlage aus und drückte so lange auf die Übersprungtaste, bis die Nummer sieben erschien.
Sie setzte sich genau in dem Moment zu mir aufs Sofa, in dem das Stück begann.
One thing was leading to the next.
Genau, dachte ich.
Bevor meine Vernunft für den Rest der Nacht aussetzte.
23
A m nächsten Tag hatte ich keine Verhandlung. Ich schickte Maria Teresa zur Geschäftsstelle des Gerichts, um ein paar bürokratische Dinge zu erledigen. Es war nichts Dringendes, aber ich hatte das
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