Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
was passiert war -, trug nicht eben dazu bei, mein Selbstwertgefühl zu heben.
Aber ich kam nicht darum herum. Der Aktionsplan, den ich entworfen hatte, war eine riskante Sache – und er riskierte das Meiste dabei. Folglich musste ich ihm alles erklären, sichergehen, dass er es begriff, und ihn fragen, ob er wollte, dass wir diesen Versuch unternahmen.
Als er den Anwaltsraum betrat, tauchten in meinem Kopf einzelne Fotogramme der vergangenen Nacht auf, aber zum Glück nur einen winzigen Moment lang. Als wir zu reden begannen, waren sie schon wieder verblasst.
Ich trug ihm meine Idee vor. Ich sagte, es sei nicht mehr als ein Versuch. Er solle sich nicht allzu viele Illusionen machen, denn es sei unwahrscheinlich, dass das Gericht Macrì als Zeugen vorlade, und selbst wenn, sei noch lange nicht gesagt, dass uns das weiterbrächte. In der Lage, in der wir uns befänden, sei es aber die einzige Alternative zum Vergleich. Die endgültige Entscheidung bräuchten wir allerdings erst am Tag der Verhandlung zu fällen.
Er machte eine Handbewegung, wie um eine Mücke zu vertreiben oder einen kleinen Gegenstand beiseitezuschieben. Ein Vergleich kommt nicht in Frage, wollte er damit sagen.
Die Geste gefiel mir. Ihrer Würde wegen. Ich fühlte mich seltsam solidarisch mit ihm.
Vielleicht verarbeitete ich auf diese Weise meine Schuldgefühle. Am Ende wird er dir noch sympathisch, dachte ich und sagte mir, dass das nun wirklich zu viel gewesen wäre.
Als Nächstes versuchte ich ihm zu erklären, wie wir vorgehen mussten, um die wenigen Trümpfe, die wir in der Hand hatten, gewinnbringend auszuspielen.
»Die Sache sollte folgendermaßen ablaufen: Ich beantrage Ihre Vernehmung und die Anhörung Ihrer Frau als Zeugin. Das Gericht gibt dem Antrag statt, da dürfte es keine Probleme geben. Sie erklären, nichts von der Droge gewusst zu haben; geben aber zu, im Moment der Verhaftung die Schuld auf sich genommen zu haben, um Ihre Frau aus der Sache herauszuhalten. Zum Schluss stellen Sie eine Hypothese darüber an, wie das Kokain in Ihren Wagen gelangt sein könnte. Dann frage ich Sie nach Ihrem Anwalt, und Sie berichten, wie es dazu kam, dass er Ihr Verteidiger wurde. Ihre Frau erzählt uns dieselbe Geschichte noch einmal aus ihrem Blickwinkel.«
Ich sah ihm in die Augen. Er hielt meinem Blick stand, wenn auch fragend. Was sollte dieser Blick bedeuten? Ich sagte ihm, was er bedeuten sollte.
»Das Ganze ist natürlich ein... wie soll ich sagen, ein gefährliches Spiel. Ein Drahtseilakt. Und der kann nur gut gehen, wenn Sie mir die volle Wahrheit gesagt haben. Andernfalls gehen wir alle beide ein gewaltiges Risiko ein – im Prozess und vor allem außerhalb des Prozesses, wenn man bedenkt, mit was für Leuten wir es hier zu tun haben.«
»Ich habe die Wahrheit gesagt. Das Rauschgift war nicht von mir. Ich habe früher mal Mist gebaut, aber mit dieser Drogengeschichte habe ich nichts zu tun.«
Was für Mist? Die Frage leuchtete einen Augenblick lang in meinem Kopf auf und verschwand so schnell, wie sie gekommen war, um dem Gefühl von vorher zu weichen. Einer Sympathie, die ich eigentlich nicht empfinden wollte, die aber wie eine Art dünner Rauch durch die Ritzen meines Bewusstseins drang.
Okay. Besser, wir machen weiter.
»Ich werde Sie zum Inhalt der Gespräche befragen müssen, die Sie mit diesem Anwalt geführt haben. Besonders wichtig wird in diesem Zusammenhang die Frage sein, ob Sie ihn je um eine Erklärung für sein plötzliches Auftauchen gebeten haben.«
»Verzeihung, wie meinen Sie das?«
»Ich werde Sie fragen: Haben Sie Herrn Macrì bei Ihrem ersten oder einem der nachfolgenden Treffen gefragt, wer ihn Ihrer Frau empfohlen hat? Verstehen Sie, warum?«
»Ja, ja. Jetzt verstehe ich es.«
»Und wo wir schon dabei sind, können Sie mir diese Frage auch jetzt schon mal beantworten. So stimmen wir uns ein bisschen auf das Thema ein.«
Er fasste sich ans Kinn und konzentrierte sich. Der Raum war still, und ich konnte hören, wie seine Finger über die Bartstoppeln strichen.
»Ich habe ihm diese Frage gestellt, natürlich. Ich glaube, es war bei unserem zweiten Treffen – das erste fand ja unmittelbar nach der Festnahme statt, da hatte ich meine Frau noch gar nicht wiedergesehen und wusste deshalb auch nicht, wie sie auf ihn gekommen war. Außerdem war ich da noch so geschockt, dass ich gar nicht klar denken konnte. Als meine Frau mich dann das erste Mal im Gefängnis besuchte, hat sie mir diese seltsame Story
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