Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
erzählt – von einem Typen, der sie auf der Straße angesprochen hat. Und als Macrì ein paar Tage später wieder zu mir kam, wollte ich natürlich wissen, wer ihn meiner Frau empfohlen hätte.«
»Und was meinte er?«
»Er sagte, ich solle mir darüber keine Gedanken machen. Es gebe Leute, die sich meiner annehmen wollten. Sie würden sich um alles kümmern, und damit meinte er vor allem sein Honorar. Und wir haben tatsächlich bis heute keinen Cent bezahlt. Ein paar Mal habe ich versucht ihn zu fragen, wie viel und wann wir bezahlen müssten, aber er meinte immer nur, ich solle mir keine Gedanken machen.«
»Natürlich hat er nie gesagt oder auch nur angedeutet, wer diese Leute waren?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Gut, so weit zu dieser Frage. Danach werde ich Sie noch zu den anderen Begegnungen mit ihm befragen müssen, insbesondere zu der, bei der es zum Streit zwischen Ihnen kam. Für mich wäre es sehr wichtig, dass Sie sich an möglichst viele Einzelheiten erinnern. Das macht Ihre Aussage glaubwürdiger. Am besten führen Sie in der Zelle ein Heft, in das Sie alles schreiben, was Ihnen so einfällt. Auch nebensächliche Details. Einverstanden?«
Damit war unser Gespräch zu Ende. Wir riefen die Vollzugsbeamten, die ihn sofort abholen kamen und in die Tiefen des Kerkers zurückführten. Während ich den umgekehrten Weg ging, den, der mich durch eine Flucht von Gittertüren und Stahltoren nach draußen führte. Ich war hin und her gerissen.
Einerseits kam ich mir immer noch wie ein Arschloch vor. Aber wir sind ja alle sehr geschickt, wenn es darum geht, Rechtfertigungen, Entschuldigungen, Ausreden zu erfinden.
Und so sagte ich mir, gut, du hast einen Fehler begangen, aber unterm Strich seid ihr quitt. Vielleicht kannst du sogar noch ein kleines Plus für dich verbuchen. Denn wer weiß, ob du diesem Menschen nicht das Leben rettest? Und überhaupt: Welcher andere Anwalt würde so viel für ihn tun?
Während ich auf mein Fahrrad stieg, fragte ich mich, ob Natsu mich wieder vor dem Büro abholen würde oder ob sie mich anrufen würde.
Oder ob ich den Mut finden würde, sie anzurufen.
25
D ie folgenden Tage waren eigentümlich. Von einer eigentümlichen Beschaffenheit. Traumartige und doch intensiv gelebte Tage.
Hin und wieder dachte ich an Margherita. Manchmal fragte ich mich, was sie wohl machte. Ob sie jemanden kennengelernt hatte, ob sie je zurückkommen würde. An diesem Punkt brachen meine Gedanken ab. Ich fragte mich nie, was passieren würde, wenn sie zurückkam. Wenn ich mir vorstellte, dass sie einen andern hatte, empfand ich stechende Eifersucht, aber sie hielt nie lange an. Bisweilen überkam mich abends die Lust, sie anzurufen, aber ich tat es nie.
In den ersten Monaten hatten wir noch miteinander telefoniert, aber großartige Gespräche waren dabei nicht zustande gekommen, und nach den Weihnachtsferien hatten die Telefonate allmählich ganz aufgehört. Margherita war auch über die Ferien dort geblieben, und ich sagte mir, dafür müsse es bestimmt eine Erklärung geben. Kompliment, Guerrieri, was für ein scharfsinniger Schluss.
Auf den Grund gehen wollte ich der Sache allerdings nicht.
Peu à peu hatte ich alle meine Habseligkeiten aus ihrer Wohnung geholt. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich dabei immer beobachtet, was ein sehr unangenehmes Gefühl war. Deshalb nahm ich nur schnell, was ich brauchte, und verschwand sofort wieder.
Abends nach der Arbeit ging ich ins Fitness-Studio oder trainierte ein wenig zu Hause. Dann aß ich zu Abend, las und hörte Musik.
Den Fernseher schaltete ich überhaupt nicht mehr ein. Nicht dass ich früher viel ferngesehen hätte, aber jetzt tat ich es gar nicht mehr, und ich glaube, ich hätte den Apparat verkaufen können, ohne dass sich für mich irgendetwas geändert hätte.
Ich las viel, bis zu zwei Stunden am Stück, und machte mir dabei Notizen. Damit hatte ich nach dem Abend in Natsus Küche begonnen, und vor allem, nachdem ich das Buch über das Aufbrechen der Wörter gelesen hatte. Vielleicht würde ich es ja doch einmal mit dem Schreiben versuchen. Vielleicht.
Manchmal ging ich ins Bett, wenn ich mit dem Lesen und Notizenmachen fertig war, und schlief sofort ein.
An anderen Abenden ahnte ich schon, dass der Schlaf sich nicht einstellen würde, und ging aus, auf einen Spaziergang und einen Drink. Ich besuchte ausschließlich Lokale, in denen mich keiner kannte, und mied all jene, in die ich mit Margherita gegangen war. Lokale wie
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