Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
Vom Netzwerk:
eine Vermutung, die nicht weit führen wird, wie ich fürchte. Ich will nicht, dass Sie …« Ich wollte schon sagen, »dass Sie sich Illusionen machen«, hielt mich jedoch im letzten Moment zurück. »Ich will keine Erwartungen wecken, die leicht enttäuscht werden könnten. In den nächsten Tagen werde ich weitere Nachforschungen anstellen und mich dann bei Ihnen melden.«
    Noch eine Pause. Lang und angstvoll.
    »Ist Manuela am Leben, Herr Anwalt?«
    »Ich weiß es nicht. So leid es mir tut, ich kann diese Frage einfach nicht beantworten.«
    Ich verabschiedete mich hastig, schloss die Augen und strich mir mit den Fingern durchs Haar. Dann ließ ich die Finger übers Gesicht wandern, fühlte meine Lider, den Nasenrücken, die Bartstoppeln, die seit dem Morgen nachgewachsen waren und ein kratzendes Geräusch machten.
    Schließlich machte ich die Augen wieder auf. Verdammt, ein zweites Handy. Es war gut möglich, dass sich in der Auflistung aller Gespräche, die sie von diesem Telefon aus geführt hatte, die Lösung fand. Ein zweites Handy war so banal, dass keiner daran gedacht hatte. Wie der gestohlene Brief bei Poe.
    Ich verließ das Büro und dachte mir, dass ich eigentlich mit Tancredi sprechen musste; er würde mir bestimmt helfen können – nur dass er leider in Amerika war.
    Ich wäre gern zu Nadia gegangen, um ihr alles zu erzählen und sie zu fragen, was sie darüber dachte, aber dann verwarf ich diese Möglichkeit gleich wieder. Ich wusste nicht genau, warum, aber nach dem, was in Rom passiert war, war es mir peinlich, Nadia zu treffen. Es kam mir vor, als hätte ich sie betrogen.
    Absurd, sagte ich zu mir selbst.
    Alles total absurd.
    Ich versuchte wieder, Caterina anzurufen, aber ihr Telefon war immer noch abgeschaltet.
    Also ging ich nach Hause, zog die Boxhandschuhe an und prügelte auf Mister Sandsack ein. In den Pausen zwischen den Schlägen sprach ich mit ihm und fragte ihn, was er von der neuesten Entwicklung der Ermittlungen hielt. Er war diesmal nicht besonders gesprächig. Leise hin- und herschwingend gab er mir lediglich zu verstehen, dass es besser wäre, etwas zu essen, ein Glas guten Wein zu trinken und ins Bett zu gehen. Vielleicht hatte ich ja am nächsten Tag eine Eingebung.
    Vielleicht.

33
    I ch träumte schlecht, und als ich aufwachte, hatte ich überhaupt keine Eingebung. Ich stand widerwillig und schlecht gelaunt auf, und die Situation verschlechterte sich noch, als mir einfiel, was mich an diesem Vormittag erwartete.
    Ich musste einem Mandanten bei Gericht beistehen, Arzt, einflussreicher Universitätsprofessor und Baron, der beschuldigt wurde, einem seiner Mitarbeiter eine Stelle zugeschanzt zu haben, die öffentlich ausgeschrieben war. Der andere Kandidat war ein Forscher von internationalem Ruf, der viele Jahre an amerikanischen Universitäten und Forschungszentren gearbeitet hatte und jetzt nach Italien zurückkommen wollte.
    Bei der ersten Stellenausschreibung seines Fachgebiets hatte dieser Forscher sich beworben, ohne zu ahnen, dass die Stelle bereits vergeben war, bevor die Ausschreibung überhaupt veröffentlicht worden war. Der designierte Sieger war ein junger Wissenschaftler, der zwar vollkommen unfähig war, dafür aber der Sohn eines anderen Professors derselben Fakultät, der in akademischen Kreisen aufgrund seiner moralischen Integrität auch »Peter Nimmersatt« genannt wurde.
    Die Diskrepanz zwischen den wissenschaftlichen Titeln der beiden Kandidaten war schon fast grotesk. Die Kommission hatte sich von diesem Detail jedoch nicht beeindrucken lassen, und der junge Taugenichts bekam die Stelle. Der andere hatte sich das nicht bieten lassen: Er hatte Beschwerde eingelegt und vorm Amtsgericht gewonnen, und nun strengte er nach dem Zivilverfahren auch noch einen Strafprozess an.
    Mein Mandant sollte nun zu den Anklagepunkten Amtsmissbrauch und Falschaussage angehört werden, und ich hatte ihm geraten, die Aussage zu verweigern. Es gab wenig Beweise gegen ihn, und eine Vernehmung würde die Sache nur verschlimmern, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Staatsanwältin eine sehr aufgeweckte junge Frau war, deren Intelligenzquotient eindeutig über dem seinen lag.
    In diesem Fall – wie auch in zahlreichen anderen, wie ich zugeben muss – hatte ich das deutliche Gefühl, auf der falschen Seite zu stehen. Und wie auch in zahlreichen anderen Fällen hatte ich mich gefragt, ob ich dieses Mandat wirklich annehmen sollte. Die Antwort war negativ gewesen, und doch

Weitere Kostenlose Bücher