Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
Punkt zu bringen – wenn ich schon nicht auf den Punkt bringen konnte, was die metaphorischen Geräusche in meinem Inneren bedeuten sollten.
Ich nahm einen Notizblock und schrieb.
Es ist anzunehmen, dass Manuela in Bari angekommen, aber nicht nach Rom weitergefahren ist. Das ist allerdings nicht sicher. Die Möglichkeit, dass sie nach Rom weitergefahren ist, ist denkbar, auch wenn wir dafür keine Beweise haben.
Wie kann man diese Umstände genauer erforschen?
Manuela konsumierte Kokain. Vermutlich hatte Michele sie dazu verleitet, aber auch nachdem die Beziehung beendet war, hatte sie weiterhin den Stoff konsumiert. Sie wusste, wo sie ihn ohne Weiteres bekommen konnte. Sie war in Kontakt mit einem Milieu, das sie nach den Worten ihrer Freundin Nicoletta als »gefährlich« bezeichnete.
Ich zögerte einen Moment, bevor ich den nächsten Satz niederschrieb.
Könnte es sein, dass Manuela selbst dealte?
Wie kann diese Vermutung untersucht werden?
Michele ist gewalttätig, ein Ganove und mit großer Wahrscheinlichkeit ein Dealer.
So bald wie möglich brauchen wir ein Foto von ihm, das man dem Freund von Quintavalle zeigen kann.
Michele wäre der ideale Verdächtige (Nicoletta und Caterina dachten sofort an ihn, als sie von Manuelas Verschwinden hörten), aber er war im Ausland an dem Tag, an dem Manuela verschwunden ist.
War er wirklich im Ausland gewesen? Vermutlich ja, aber wie kann diese Annahme unter Ausschluss jedes Zweifels bestätigt werden?
Indem man die Freunde befragt, mit denen er unterwegs war? Wie soll das gehen?
Es wäre besser gewesen, wenn ich nichts herausgefunden hätte, sagte ich mir. Wenn ich nichts herausgefunden hätte, wäre ich nicht so unruhig. Dann wäre alles gewesen wie vorherzusehen: Ich taugte einfach nicht zum Privatdetektiv. Ich hätte Ferraro das Geld zurückgegeben, ihm gesagt, dass es mir sehr leidtat, aber dass man nichts tun konnte – zumindest nichts, was in meinen Kräften stand – und damit wäre ich aus dem Schneider gewesen.
Stattdessen hatte ich etwas herausgefunden, und etwas anderes ahnte ich, ohne es schon in Worte fassen zu können. Das bedeutete, dass ich bereits bis zum Hals in dieser Geschichte steckte.
Ich drehte und wendete diesen Gedanken seit mindestens einer halben Stunde in meinem Kopf, als Pasquale ins Zimmer kam.
»Herr Guerrieri, da draußen ist eine junge Dame, die Sie sprechen will. Sie hat schon ein paar Mal angerufen, aber Sie wollten ja nicht, dass ich die Anrufe durchstelle. Jetzt ist sie gekommen. Was soll ich tun?«
Caterina, dachte ich. Und der Gedanke, sie hier im Büro zu sehen, nach allem, was passiert war, war mir peinlich. Es kam mir vor wie ein erneutes Eindringen, mit dem ich nicht umzugehen wusste.
»Es ist das Fräulein Salvemini wegen des Ferraro-Falls.«
Salvemini? Ach so, Anita. Was wollte Anita?
»Gut, Pasquale, lassen Sie sie herein.«
Anita war genauso gekleidet wie das letzte Mal. Als wären ihre Kleider für sie so etwas wie eine Uniform.
»Ich habe versucht, Sie auf der Handynummer zu erreichen, die Sie mir gegeben haben, aber es war immer ausgeschaltet.«
»Ja, ich habe es ausgeschaltet, weil ich diesen Nachmittag so viel zu erledigen habe.«
»Vielleicht störe ich Sie. Aber ich wollte Ihnen etwas sagen, was mir eingefallen ist. Wahrscheinlich ist es nicht von Bedeutung, aber Sie hatten doch gesagt, ich soll Sie bei allem, was mir einfällt, anrufen.«
»Sie stören mich ganz und gar nicht. Und ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind, danke. Was ist Ihnen denn eingefallen?«
»Manuela hatte zwei Handys.«
»Wie bitte?«
»Mir ist eingefallen, dass Manuela zwei Handys dabeihatte, nicht nur eines.«
»Zwei Handys?«
Ich überlegte, was diese Information bedeutete. Es war klar, dass sie wichtig war. Die Auflistung der Gesprächsdaten, die die Staatsanwaltschaft angefordert hatte, bezogen sich nur auf eine Nummer.
»Wie kam es, dass Ihnen das plötzlich eingefallen ist?«
»Ich habe Ihnen doch erzählt, dass Manuela auf der Fahrt von den Trulli nach Ostuni mit dem Telefon hantierte und dass sie vermutlich irgendwann eine SMS bekam.«
»Ja, daran erinnere ich mich.«
»Als sie die SMS bekam, hatte sie das eine Telefon in der Hand, aber sie suchte in ihrer Tasche nach einem anderen. Diese Szene ist mir heute eingefallen, weil ich einen Signalton gehört habe, der genauso klang wie Manuelas an jenem Nachmittag.«
»Was war das für ein Ton?«
»Ein ungewöhnlicher Ton, wie wenn ein kleiner
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