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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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richtete, antwortete mir (wie ich schon bemerkte, verstand er die Sprache von Balnibarbi) mit einem Lächeln, welches gewöhnlich ist, wenn man Unwissenheit bemitleidet: Es sey ihm sehr angenehm, eine Gelegenheit gefunden zu haben, weßhalb ich im Lande bleiben wolle; er bitte mich um Erlaubniß, der übrigen Gesellschaft meine Absicht wieder sagen zu dürfen. Dies geschah; die Anwesenden unterhielten sich in ihrer Landessprache, wovon ich keine Sylbe verstand; auch konnte ich an dem Ausdruck ihrer Züge den Eindruck nicht erkennen, welchen meine Worte bei ihnen erweckt hatten. Nach einem kurzen Schweigen sagte mir derselbe Herr: Seine Freunde und die meinigen (in dieser Art hatte er die Güte sich auszudrücken) seyen sehr erfreut über die verständigen Bemerkungen, die ich über das Glück und die Vortheile des unsterblichen Lebens gemacht habe, und sie wünschten besonders zu erfahren, welchen Lebensplan ich hinsichtlich meiner gebildet hätte, wäre mir das Schicksal zu Theil geworden, als Struldbrugg geboren zu werden.
    Ich erwiderte, es sey nicht schwer, bei einem so reichhaltigen und angenehmen Gegenstand Beredtsamkeit zu zeigen; dies sey bei mir hauptsächlich der Fall, da ich mich oft an Visionen ergötzt habe, was ich thun würde wie ich mich z. B. als König, als General, als Lord benehmen würde; auch in dem Fall der Unsterblichkeit hätte ich mir bereits ein System gebildet, wie ich wirken und mir die Zeit vertreiben wolle, im Fall es mir möglich wäre, auf ewig zu leben.

    Wäre ich so glücklich gewesen, als Struldbrugg in die Welt zu kommen, so würde ich, wenn ich mein eigenes Glück durch den Unterschied zwischen Leben und Tod erkannt hätte, auf alle mögliche Weise mir Reichthümer zu verschaffen suchen; durch Geschicklichkeit und gute Verwaltung könnte ich alsdann, nach vernünftiger Erwartung, in ungefähr zweihundert Jahren dieselben so sehr vermehren, daß ich der reichste Mann des Königreichs würde; zweitens würde ich mich von meiner frühesten Jugend an mit den Studien der Künste und Wissenschaften beschäftigen, wodurch ich zuletzt dahin gelangen müßte, alle Anderen an Gelehrsamkeit zu übertreffen. Zuletzt würde ich jede Handlung und jedes Ereigniß von Wichtigkeit aufnotiren, die Charaktere der aufeinanderfolgenden Fürsten und Staatsminister und meine Bemerkungen über jede Einzelnheit niederschreiben. Ich würde mir die verschiedenen Veränderungen der Gewohnheiten, Sprachen, Moden, Lebensarten und Vergnügungen merken. Durch alle diese Erwerbungen müßte ich ein lebendiger Schatz der Gelehrsamkeit und Weisheit und sicherlich das Orakel der Nation werden.
    Ich würde mich nach sechzig Jahren nicht mehr verheirathen, sondern ein offenes Haus machen, jedoch immer noch Geld sparen. Ich würde den Geist hoffnungsvoller Jünglinge bilden und leiten, und würde sie nach meiner Erinnerung, Erfahrung und Beobachtung durch viele Beispiele von der Nützlichkeit der Tugend im öffentlichen und Privatleben überzeugen. Meine gewöhnliche und fortwährende Gesellschaft würde jedoch in einer Anzahl meiner unsterblichen Brüderschaft bestehen. Ich würde aus diesen ein Dutzend von den ältesten bis auf meine Zeitgenossen auswählen. Wo es Einigen derselben an Vermögen fehlte, würde ich sie mit passenden Wohnungen in der Nähe meines Gutes versehen, und Einige derselben stets an meine Tafel laden. Ich würde alsdann nur wenige der trefflichsten Sterblichen hinzuziehen, deren Verlust ich mit geringem Widerstreben zu ertragen, durch die Zeit verhärtet, erlernen müßte; die Geschlechter der Gegenwart aber in derselben Art behandeln, wie man sich über die jährliche Reihenfolge der Nelken und Tulpen in Gärten erfreut, ohne den Verlust derjenigen zu bedauern, welche im vergangenen Jahre verwelkt sind.
    Wir würden uns gegenseitig unsere Bemerkungen und Denkwürdigkeiten über den Lauf der Zeiten mittheilen, Beobachtungen anstellen, wie die Verderbniß sich allmählich einschleicht und bei jedem Schritt ihr widerstehen, indem wir den Menschen immerwährende Belehrung und Warnung gäben. Käme dieser Umstand zu dem starken Einfluß unseres eigenen Beispiels hinzu, so müßte dies die fortwährende Entartung der Menschennatur verhindern, worüber man sich mit so vollem Recht in allen Zeiten beklagt.

    Zu allen diesen glücklichen Verhältnissen müßte noch das Vergnügen hinzukommen, daß man die verschiedenen Revolutionen der Staaten und Reiche, die Veränderungen der oberen und niederen

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