Gullivers Reisen
verabscheuungswürdigen Thier eine vollkommene Menschenfigur erblickte. Das Gesicht war zwar flach und breit, die Nase eingedrückt, die Lippen geschwollen und der Mund sehr weit. Diese Verschiedenheiten von unsrer Gesichtsbildung sind aber allen wilden Nationen gemein, welche ihre Kinder auf dem Boden umherkriechen, oder sie auf dem Rücken tragen lassen, so daß die Kinder mit dem Gesicht über den Schultern ihrer Mutter gesäugt werden. Die Vorderpfoten des Yähu waren von meinen Händen nur durch die Länge der Nägel, durch die Rauheit und Bräune der Handflächen und durch die haarige Rückseite verschieden. Dieselbe Aehnlichkeit fand zwischen unsern Füßen statt, wie ich sehr wohl wußte, die Pferde jedoch ahneten dieses nicht, weil ich Schuhe und Strümpfe trug. Dasselbe war an jedem Theile unsers Körpers der Fall, mit Ausnahme der Haare und der Farbe, wie ich schon beschrieben habe.
Die größte Schwierigkeit, welche sich den beiden Pferden zu bieten schien, bestand darin, daß sie meinen Körper von dem des Yähu so sehr verschieden sahen. Dies verdankte ich meinen Kleidern, wovon sie keinen Begriff hatten. Der fuchsrothe Klepper bot mir eine Wurzel, die er nach Art der Hauyhnhnms, welche ich am passenden Orte beschreiben werde, zwischen seinem Huf und dem Fußgelenk hielt; ich nahm dieselbe in meine Hand, roch darauf und gab sie so höflich, wie es mir möglich war, wieder zurück. Alsdann brachte er aus dem Stall der Yähus ein Stück Eselsfleisch; es stank aber so furchtbar, daß ich es mit Ekel zurückwies. Hierauf warf er es dem Yähu zu, der es mit Gier verschlang. Alsdann zeigte er mir ein Bündel Heu und einen Kübel voll Hafer, allein ich schüttelte den Kopf, um anzudeuten, beides sey kein Futter für mich. Auch fürchtete ich schon wirklich den Hungertod, wenn ich kein Individuum meiner Gattung anträfe; denn was die schmutzigen Yähus betraf, so muß ich gestehen, daß ich nie so verabscheuungswürdige Geschöpfe in jeder Hinsicht gesehen habe, obgleich es damals nur Wenige gab, welche in demselben Grade wie ich, die Menschheit liebten. Je näher ich ihnen kam, desto verhaßter sind sie mir geworden, so lange ich im Lande blieb. Dies bemerkte das Herr-Pferd aus meinem Benehmen und schickte deßhalb den Yähu in seinen Stall zurück. Alsdann legte es seinen Vorderhuf an den Mund, worüber ich erstaunte, obgleich es diese Bewegung ungezwungen und ganz natürlich ausführte; zugleich gab es mir auch durch andere Zeichen zu verstehen, ich möge andeuten, was ich zu essen wünsche. Ich konnte ihm aber keine Antwort geben, die es zu begreifen vermochte, und wäre dies auch selbst der Fall gewesen, so sah ich keine Möglichkeit, mir irgend eine Nahrung zu verschaffen. Während wir so uns verständlich zu machen suchten, bemerkte ich, daß eine Kuh vorbeiging; ich zeigte auf dieselbe und drückte meinen Wunsch aus, sie melken zu dürfen. Dies hatte Würkung. Das Pferd führte mich in's Haus zurück und befahl einer Stute-Magd, mir ein Zimmer zu öffnen, wo ein ziemlicher Vorrath von Milch in irdenen und hölzernen Gefäßen, reinlich und in Ordnung, verwahrt war. Die Magd gab mir hierauf eine große Schaale voll Milch, die ich mit großem Appetit trank, und wodurch ich sehr erfrischt wurde.
Gegen Mittag sah ich eine Art Fuhrwerk, einem Schlitten ähnlich, welches von vier Yähus gezogen wurde, vor den Hause anlangen; darin befand sich ein altes Pferd, welches eine Person von Stande zu seyn schien. Es stieg mit den Hinterfüßen herunter, da es unglücklicher Weise am linken Vorderfuße verletzt worden war. Es wollte mit unserm Pferde zu Mittag speisen, und wurde von demselben mit großer Höflichkeit empfangen. Man speiste im besten Zimmer, und erhielt Hafer in Milch gekocht als zweiten Gang der Tafel. Das alte Pferd aß diese Speise warm, die übrigen aber kalt. Die Tröge wurden in Cirkelform aufgestellt und in mehrere Abtheilungen geschieden. Die Pferde saßen dabei mit ihren Hinterschenkeln auf Strohbündeln. In der Mitte befand sich eine große Krippe mit Winkeln, welche jeder Abtheilung der Tröge entsprach, so daß jedes Pferd sein ihm bestimmtes Heu nebst dem Gemisch von Milch und Hafer sehr anständig und regelmäßig aß. Das Benehmen der männlichen und weiblichen Füllen war sehr bescheiden, und das des Herren und seiner Gemahlin außerordentlich heiter und gefällig gegen den Gast. Der Braune befahl mir, mich an seine Seite zu stellen; er und sein Freund hielten über mich eine lange
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