Gullivers Reisen
könne, und in allen Worten und Handlungen einige Funken von Vernunft offenbare. Diese fanden Vergnügen daran, sich mit mir zu unterhalten; sie legten mir mehrere Fragen vor und erhielten solche Antworten, wie ich sie geben konnte. Durch alle diese Vortheile machte ich so bedeutende Fortschritte, daß ich in fünf Monaten nach meiner Ankunft alles verstand, was mir gesagt wurde, und daß ich mich ziemlich deutlich ausdrücken konnte.
Die Hauyhnhnms, welche meinen Herrn besuchten, um mich zu sehen und um mit mir zu sprechen, konnten kaum glauben, ich sey ein wirklicher Yähu, weil mein Körper eine andere Bedeckung habe, wie die Übrigen meines Geschlechtes. Sie erstaunten, mich ohne Haar und Haut, mit Ausnahme meines Kopfes und meiner Hände, zu sehen, allein ich hatte dies Geheimniß meinem Herrn nach einem Ereigniß entdeckt, welches ungefähr vierzehn Tage vorher vorgefallen war.
Ich habe dem Leser schon gesagt, daß es jede Nacht meine Gewohnheit war, mich auszuziehen und mit meinen Kleidern zu bedecken, sobald die Familie zu Bett gegangen war.
Einst geschah es, daß mein Herr mich eines Morgens früh durch den fuchsrothen Klepper holen ließ, welcher sein Bedienter war. Als er kam, war ich noch fest eingeschlafen, meine Kleider waren an einer Seite heruntergefallen und mein Hemd über den Leib abgestreift. Ich erwachte bei dem Geräusch das er machte, und bemerkte, daß er seiner Botschaft sich mit einiger Verlegenheit entledigte; hierauf ging er zu meinem Herrn und gab demselben mit einigem Schrecken einen verwirrten Bericht von dem, was er gesehen hatte.
Dies bemerkte ich sogleich; als ich nämlich angekleidet war und meine Aufwartung Seiner Gnaden gemacht hatte, fragte sie mich nach der Bedeutung des Berichtes, den ihr der Diener gegeben habe; ich sey nämlich nicht dasselbe Geschöpf im Schlafe, welches ich in anderen Zeiten zu seyn scheine; sein Diener habe ihm die Versicherung gegeben, ein Theil von mir sey weiß, ein anderer gelb oder wenigstens nicht so weiß und einige andere Theile sogar von brauner Farbe. Bis dahin hatte ich das Geheimniß meiner Kleidung verhehlt, um mich so viel wie möglich von jenem verfluchten Geschlecht der Yähus zu unterscheiden; jetzt aber fand ich, dies sey mir nicht länger möglich. Außerdem überlegte ich, meine Kleider und Schuhe würden bald abgenützt seyn, denn sie waren schon in abnehmendem Zustande, und ich mußte sie durch irgend ein Mittel aus den Fellen der Yähus oder anderer Thiere wieder ersetzen. Dadurch hätte das Geheimniß ohnedem verrathen werden müssen. Somit sagte ich meinem Herrn: In dem Lande, woher ich komme, bedecke sich das ganze Geschlecht, wozu ich gehöre, den Leib mit Haaren verschiedener Thiere, welche man künstlich zubereite. Dies geschehe sowohl des Anstandes wegen, als auch um die unangenehmen Einflüsse der Luft, sowohl in Hitze wie in Kälte, zu vermeiden. Was mich selbst betreffe, so wolle ich ihn sogleich hievon überzeugen, wenn er die Güte habe, mir den Befehl zu ertheilen. Ich bitte allein um Verzeihung, wenn ich diejenigen Theile nicht bloßstelle, deren Verheimlichung uns die Natur gebiete. Er antwortete: Meine Rede sey sonderbar, besonders aber der letztere Theil; er könne nicht begreifen, weßhalb die Natur uns zu verheimlichen lehre, was sie uns gegeben habe. Weder er noch seine Angehörigen schämten sich irgend eines Theiles an ihrem Leibe. Ich möge jedoch thun, was mir beliebe. Hierauf knöpfte ich meinen Rock auf und zog ihn aus, ebenso auch meine Weste. Alsdann legte ich Schuhe, Strümpfe und Beinkleider ab. Ich ließ mein Hemd bis an den Bauch herabfallen, zog den untern Theil herauf und befestigte es, wie einen Gürtel, um die Mitte meines Leibes, meine Naktheit zu verbergen.
Mein Herr beobachtete mein ganzes Verfahren mit den Zeichen großer Neugier und Verwunderung. Er nahm alle meine Kleider mit dem Fußgelenke auf und untersuchte eines nach dem andern mit vieler Genauigkeit, alsdann streichelte er sanft meinen Leib und besah mich von allen Seiten. Hierauf sagte er: Ich sey ein vollkommener Yähu, sey jedoch von den Uebrigen meines Geschlechtes in der Weiße und Sanftheit meiner Haut sehr verschieden; ferner auch durch den Mangel an Haar an mehreren Theilen meines Körpers; durch die Form und die Größe meiner Vorder- und Hinterklauen; endlich auch durch mein Bestreben, fortwährend auf meinen Hinterpfoten zu gehen. Er wünschte Nichts weiter zu sehen und ertheilte mir Erlaubniß, meine Kleider wieder
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