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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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meinen Rockschooß, und als es fand, daß derselbe locker um mich herumhing, sahen mich beide mit neuen Zeichen der Verwunderung an. Es streichelte meine rechte Hand und schien die Zartheit und Farbe derselben zu bewundern, drückte sie aber so stark zwischen den Huf und das Fesselgelenk, daß ich aufzuschreien genöthigt wurde. Sie kamen auch sehr in Verlegenheit, in Betreff meiner Schuhe und Strümpfe, die sie oft befühlten, worauf sie einander mit verschiedenen Bewegungen zuwieherten, welche denen eines Philosophen glichen, wenn er ein neues und schwieriges Phänomen auflösen will.

    Im Ganzen war das Benehmen dieser Thiere so ordentlich und vernünftig, so scharfsinnig und klug, daß ich zuletzt daraus schließen mußte, es seyen Zauberer, die sich zu irgend einem Zweck verwandelt und beschlossen hätten, sich an einem Fremden zu belustigen, den sie unterwegs anträfen; oder vielmehr, die über den Anblick eines Menschen wirklich erstaunten, der in Kleidung, Gesichtszügen und Farbe von den übrigen Menschen so verschieden sey, welche in einem so entfernten Klima wohnen könnten. In Folge dieses Schlusses hielt ich an sie folgende Anrede: Meine Herrn, wenn sie Zauberer sind, wie ich zu vermuthen Ursache habe, so müssen sie jede Sprache verstehen können. Ich bin darum so frei, Euer Gnaden wissen zu lassen, daß ich ein armer, unglücklicher Engländer bin, welcher durch Unglück an dieses Land verschlagen wurde. Deßhalb bitte ich einen von Ihnen, mich auf seinem Rücken reiten zu lassen, als wären Sie wirkliche Pferde, und mich zu einem Hause oder zu einer Stadt zu bringen, wo ich Hülfe werde finden können. Als Belohnung für diese Gefälligkeit werde ich Ihnen dies Messer und dieses Armband geben. (Ich hatte beide zuvor aus meiner Tasche gezogen.) Die beiden Geschöpfe schwiegen während ich sprach, schienen jedoch mir mit großer Aufmerksamkeit zuzuhören; als ich geendet hatte, wieherten Beide sich häufig zu, als wären sie in ein ernsthaftes Gespräch vertieft. Ich bemerkte deutlich, daß ihre Sprache die Leidenschaften sehr gut ausdrückte, und daß die Worte in ein Alphabet aufgelöst werden könnten, welches bei Weitem einfacher wie das Chinesische seyn müßte.
    Ich konnte häufig das Wort Yähu unterscheiden, welches mehreremale von ihnen wiederholt wurde, und obgleich es mir unmöglich war, die Bedeutung zu errathen, so bemühte ich mich, während die beiden Pferde sich mit einander unterhielten, es meiner Zunge zugänglich zu machen. Sobald sie schwiegen sprach ich deßhalb Yähu mit lauter Stimme aus, indem ich zugleich, so gut wie möglich, das Wiehern eines Pferdes nachahmte. Hierüber schienen Beide sehr erstaunt, und der Schecke wiederholte mir das Wort zweimal, als wolle er mir den richtigen Accent zeigen. Ich sprach es ihm nach so gut wie möglich, und fand, daß ich mich jedesmal verbesserte, ob ich gleich von Vollkommenheit noch sehr weit entfernt war. Alsdann machte der Braune mit mir den Versuch hinsichtlich eines zweiten Wortes, welches noch schwerer auszusprechen war; um es durch unsere Orthographie auszudrücken, werde ich es Hauyhnhnms schreiben müssen. Diese Aussprache gelang mir nicht so gut, wie die frühere; nach zwei oder drei Versuchen hatte ich jedoch mehr Glück, und Beide erstaunten über meine Fähigkeit.
    Nach einem weiteren Gespräch, von welchem ich vermuthete, daß es sich auf mich beziehe, nahmen die beiden Freunde von einander Abschied, indem sie dasselbe Compliment, die Hufe zu berühren, wiederholten. Das braune Pferd gab mir ein Zeichen, ich solle ihm vorangehen, und ich hielt es für klug, zu gehorchen, bis ich einen bessern Wegweiser würde erhalten haben. Als ich anfing etwas langsamer zu gehen, schrie es hune, hune. Ich errieth seinen Willen und gab ihm so gut wie möglich zu verstehen, ich sey müde und könne nicht schneller gehen, worauf es still stand, um mich ausruhen zu lassen.

Zweites Kapitel.

    Der Verfasser wird von einem Hauyhnhnm in dessen Haus geführt. Beschreibung des Hauses. Aufnahme des Verfassers. Nahrung der Hauyhnhnms. Der Verfasser kömmt in Noth wegen Mangels an Speise, wird aber zuletzt daraus erlöst. Seine Nahrung in diesem Lande.

    Als wir ungefähr anderthalb Stunden gegangen waren, kamen wir zu einer Art von Haus, welches aus eingerammten und kreuzweise gelegten Balken bestand. Das Dach war niedrig und mit Stroh bedeckt. Ich faßte somit wieder einigen Muth und zog einiges Spielzeug, welches die Reisenden als Geschenke für

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