Gullivers Reisen
Unterredung, wie ich aus den Blicken des Fremden und aus der häufigen Wiederholung des Wortes Yähu bemerken konnte.
Ich trug zufällig meine Handschuhe. Als dies der Braune, das Herr-Pferd, bemerkte, schien er sehr erstaunt und gab mir durch Zeichen seine Verwunderung zu verstehen, was ich mit meinen Händen angefangen habe; er legte seinen Huf drei oder viermal auf dieselben, als wolle er mir andeuten, ich solle ihnen die frühere Form wiedergeben. Dies that ich auch; denn ich zog sogleich meine Handschuhe aus und steckte sie in die Tasche. Dies veranlaßte ein ferneres Gespräch, und ich sah, die Gesellschaft sey mit meinem Betragen zufrieden. Auch bemerkte ich bald die guten Folgen. Mir wurde befohlen, die wenigen Worte, die ich verstand, auszusprechen. Während die Gesellschaft bei Tische saß, lehrte mich der Herr die Namen für Hafer, Milch, Feuer, Wasser und einige andere Gegenstände, diese konnte ich sehr bald ihm nachsprechen, da ich von früher Jugend an viele Gewandtheit im Erlernen fremder Sprachen besessen habe.
Als das Mittagessen vorbei war, nahm das Herr-Pferd mich bei Seite und gab mir durch Zeichen und Worte zu verstehen, es thue ihm sehr leid, daß ich nichts zu essen habe. Hafer wird in der Sprache der Hauyhnhnms Hlunnh genannt. Ob ich gleich diese Speise zuerst zurückgewiesen hatte, so fiel mir doch gleich darauf ein, ich könne daraus eine Art Brod machen, welches nebst der Milch genügen würde, mich am Leben zu erhalten, bis ich in ein anderes Land und zu Geschöpfen meines eigenen Geschlechtes fliehen könnte. Das Pferd befahl sogleich einer weißen Magd-Stute aus seiner Familie mir eine Masse Hafer in einer Art hölzernen Mulde zu bringen. Dieses Getreide erhitzte ich so gut wie möglich am Feuer, bis die Hülsen absprangen, worauf ich diese vom Korne zu sichten suchte; letzteres mahlte und zerquetschte ich zwischen zwei Steinen, vermischte es mit Wasser und machte daraus einen Teich oder Kuchen, den ich am Feuer röstete und warm mit Milch aß. Anfänglich schien mir dies eine sehr unschmackhafte Speise, ob sie gleich in vielen Theilen Europa's gewöhnlich ist; sie wurde mir aber mit der Zeit erträglich, und da ich schon oft in meinem früheren Leben zu magerer Kost genöthigt war, so bemerkte ich hier nicht zum ersten Mal, wie leicht man die Natur befriedigen kann. Auch muß ich erwähnen, daß ich mich nie auch nur eine Stunde lang übel befunden habe, so lange ich auf der Insel blieb. Allerdings bemühete ich mich, Kaninchen oder Vögel mit Schlingen aus Yähu-Haar zu fangen; oft auch sammelte ich gesunde Kräuter, die ich kochte und als Salat beim Brode aß. Bisweilen machte ich mir ein wenig Butter und trank die Molken; auch war mir der Mangel an Salz sehr empfindlich, allein die Gewohnheit söhnte mich bald mit dieser Entbehrung aus. Ich hege jetzt die Ueberzeugung, der häufige Gebrauch des Salzes sey bei uns eine Folge des Luxus, und sey zuerst als ein Reizmittel zum Trinken eingeführt worden, mit Ausnahme des Falles, wo es dazu dient, das Fleisch auf langen Reisen oder den Orten, die von großen Märkten entfernt liegen, vor Fäulniß zu bewahren. Wir bemerken ja, daß kein Thier als der Mensch das Salz liebt, und was mich betrifft, so hat es mich viele Mühe gekostet, den Geschmack desselben in irgend einer Speise zu ertragen, nachdem ich das Land der Hauyhnhnms verlassen hatte.
Dies genüge, um meine Lebensart in Hinsicht der Speisen darzustellen, womit andere Reisende ihre Bücher füllen, als sey den Lesern daran gelegen, ob wir gut oder schlecht essen. Es war jedoch nothwendig, den Gegenstand zu erwähnen, sonst würde die Welt es für unmöglich halten, daß ich drei Jahre lang in solch einem Lande und unter solchen Einwohnern meine Nahrung fand.
Gegen Abend befahl das Herr-Pferd, mir einen Ort zur Wohnung zu bereiten. Dieser war nur sechs Ellen vom Hause entfernt und von dem Stall der Yähus getrennt. Hier bekam ich einiges Stroh; ich bedeckte mich mit meinen Kleidern und hatte einen gesunden Schlaf. In kurzer Zeit hatte ich mich auch besser in meine Lage gewöhnt, wie der Leser später erfahren wird, wenn ich über meine Lebensart genauer sprechen werde.
Drittes Kapitel.
Der Verfasser sucht die Sprache der Hauyhnhnms zu erlernen; sein Herr ist ihm dabei behülflich. Beschreibung der Sprache. Mehrere Hauyhnhnms von Stande kommen an aus Neugier den Verfasser zu sehen. Er gibt seinem Herrn einen kurzen Bericht von seiner Reise.
Meine hauptsächlichste Bemühung
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