Gullivers Reisen
Ich vergaß noch einen Umstand (und wahrscheinlich würde ich die Verzeihung des Lesers erlangen, hätte ich denselben gänzlich ausgelassen); während ich das verhaßte Geschöpf mit den Händen hielt, entleerte es seinen Koth über meine Kleider; glücklicherweise war ein kleiner Bach in der Nähe, wo ich mich so rein wie möglich abwusch. Ich wagte es jedoch nicht, vor meinem Herrn zu erscheinen, bevor ich mich gehörig gelüftet hatte.
Nach Allem, was ich entdecken konnte, scheinen die Yähus die ungelehrigsten Thiere zu seyn. Ihre Fähigkeiten gelangen nie weiter, als daß sie Lasten weiterziehen und tragen können. Ich glaube jedoch, dieser Mangel entsteht nur aus ihrem verkehrten und störrigen Charakter. Sie sind listig, verrätherisch, boshaft und rachsüchtig. Sie sind stark und kräftig, aber zugleich auch feig, und folglich unverschämt, niederträchtig und grausam. Man hat bemerkt, die Rothharigen beider Geschlechter seyen gieriger und boshafter wie die Uebrigen, die sie jedoch in Stärke und Thätigkeit übertreffen.
Die Hauyhnhnms verwahren die Yähus, die sie gewöhnlich gebrauchen, in Hütten, welche von ihren Wohnungen nicht sehr entfernt liegen. Die übrigen werden auf bestimmte Felder gesandt, wo sie Wurzeln ausgraben, jede Kräuterart essen, Aeser aufsuchen und bisweilen Wiesel oder Luhimuhs (eine Art wilder Ratten) fangen, die sie mit Gier verschlingen. Die Natur hat sie gelehrt, mit den Nägeln tiefe Löcher in die abhängige Seite eines Hügels zu graben, wohin sie sich einzeln niederlegen; die Lagerstätten für die Weibchen sind jedoch größer, so daß sie auch zwei oder drei Junge fassen können.
Von ihrer Kindheit auf können sie wie Frösche schwimmen und auch lange unter Wasser bleiben, wo sie häufig Fische fangen, welche die Weibchen nach Hause zu ihren Jungen tragen. Ich hoffe, der Leser wird mir verzeihen, wenn ich bei dieser Gelegenheit ein sonderbares Abenteuer erzähle. Als ich eines Tages bei sehr heißem Wetter mit meinem Beschützer, dem fuchsbraunen Klepper spazieren ging, bat ich ihn um die Erlaubniß, mich in einem nahen Flusse baden zu dürfen. Er gab seine Einwilligung; ich zog mich sogleich nakt aus und ging langsam in den Fluß hinein. Zufällig stand aber eine junge weibliche Yähu hinter einer Anhöhe und sah das ganze Verfahren; sie kam sogleich, von Begierde, wie ich und der Klepper vermuthete, entzündet, mit aller Eile herbeigelaufen und sprang in der Entfernung von fünf Ellen, wo ich badete, in's Wasser hinein. Nie in meinem Leben habe ich einen solchen Schreck empfunden. Der Klepper graste in einiger Entfernung, da er nichts Böses vermuthete. Die Yähu umarmte mich in der ekelhaftesten Weise. Ich brüllte so laut wie möglich, worauf der Klepper zu mir galoppirte; sie ließ mich mit dem größten Widerstreben los und sprang auf das entgegengesetzte Ufer, wo sie während der ganzen Zeit, da ich meine Kleider anlegte, zusah und heulte.
Dies gab meinem Herrn und seiner ganzen Familie viel Stoff zur Belustigung, sowie mir zur Kränkung. Ich konnte nämlich jetzt nicht mehr läugnen, ich sey ein wirklicher Yähu, in jedem Gliede und nach meinen Gesichtszügen, da die Weibchen eine natürliche Neigung, als zu einem Geschöpf ihrer eigenen Species, hegten. Auch war das Haar dieses Thieres nicht von rother Farbe, die einige Entschuldigung für unregelmäßige Begierden hätte gewähren können, sondern schwarz wie eine Schlehe, und ihr Gesicht war auch nicht ganz so scheußlich wie bei den Uebrigen, so daß ich glaube, sie konnte nicht über elf Jahre alt seyn.
Da ich drei Jahre in diesem Lande gelebt habe, so erwartet der Leser, wie ich glaube, daß ich, wie andere Reisende, ihm einen Bericht von den Sitten und Gewohnheiten der Einwohner gebe, deren Kenntniß wirklich mein Hauptstudium bildete.
Da diese edlen Hauyhnhnms von der Natur mit einer allgemeinen Anlage zu allen Tugenden begabt sind, und keine Begriffe und Ideen von dem Bösen bei vernünftigen Geschöpfen besitzen, so besteht ihr Hauptgrundsatz in Ausbildung der Vernunft, um durchaus von derselben geleitet zu werden. Auch gilt die Vernunft bei ihnen nicht als problematischer Punkt, wie dies bei uns der Fall ist, wo man plausible Gründe für und gegen deren Existenz angeben kann, sondern sie erweckt bei ihnen augenblickliche Ueberzeugung, wie dies überall nothwendig ist, wo sie durch Leidenschaft und Interesse nicht vermischt, verdunkelt oder entfärbt wird.
Ich erinnere mich noch, wie ich meinem
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