Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
Vom Netzwerk:
eigentlich fehle. Das einzige Mittel, wodurch diesem Uebel abgeholfen werde, bestehe darin, daß man den Yähu sehr stark arbeiten ließe. Alsdann könne er jedesmal wieder zur Besinnung kommen. Hiebei schwieg ich, aus Parteilichkeit für mein Geschlecht; ich konnte darin die Launenhaftigkeit entdecken, der allein die Faulen, Ueppigen und Reichen ausgesetzt sind. Würden diese zu derselben Kur gezwungen, so möchte ich für die Heilung mich verbürgen.
    Seine Gnaden bemerkte ferner, weibliche Yähus pflegten sich oft hinter einen Hügel oder in einem Busche zu verstecken, um die jungen männlichen vorübergehen zu sehen, alsdann zu erscheinen, sich wieder zu verstecken, viele narrenhafte Grimassen und Bewegungen zu zeigen; kämen männliche Yähus, so entfernten sie sich, sähen sich aber mehreremale um und liefen mit verstellter Furcht an einen Ort, wo der männliche Yähu ihnen folgen könne.

    Wenn nun aber eine fremde weibliche Yähu in eine Gesellschaft anderer weiblichen Yähus gelangt, so gehen drei oder vier um sie herum, starren sie an, schnattern, grinsen und beriechen sie an allen Seiten. Alsdann wenden sie sich ab mit Bewegungen, welche Verachtung auszudrücken scheinen.

    Vielleicht hätte sich mein Herr in diesen Spekulationen sehr verfeinern können, die er sich aus eigener Beobachtung oder nach dem Hörensagen bildete; ich erstaunte jedoch und fühlte wirklich viel Kummer, daß die Elemente der Koketterie und Klatscherei dem weiblichen Geschlechte angeboren zu seyn scheinen. Ich befürchtete stets, mein Herr werde die Yähus auch einiger unnatürlichen Laster anklagen, die bei uns oft genug vorkommen. Die Natur ist aber hierin keine erfahrene Lehrerin gewesen, und diese verfeinerten Vergnügungen sind allein durch Kunst und Vernunft auf unserer Seite der Erdkugel hervorgebracht worden.

Achtes Kapitel.

    Der Verfasser gibt Bericht von mehreren Eigenschaften der Yähus. Die großen Tugenden der Hauyhnhnms. Ihre Erziehung und ihre Uebungen während der Jugend. Ihre allgemeine Versammlung.

    Ich mußte natürlich mit der menschlichen Natur genauer wie mein Herr bekannt seyn, und somit wurde es mir leicht, den Charakter der Yähus, wie er ihn darstellte, auf mich und meine Landsleute anzuwenden. Auch glaubte ich, vielleicht würde ich durch eigene Beobachtung fernere Entdeckungen machen können. Deßhalb bat ich oft meinen Herrn, mir die Erlaubniß zu ertheilen, daß ich unter die benachbarten Heerden der Yähus gehen dürfe; er hatte auch die Güte, seine Einwilligung zu geben, denn er hegte die vollkommene Ueberzeugung, der Haß, den ich gegen dieses Vieh hege, werde verhindern, daß ich durch dasselbe verdorben würde. Alsdann befahl er auch einem Diener, dem fuchsrothen Klepper, welcher sehr stark, ehrlich und gutmüthig war, mich zu bewachen. Ohne diesen Schutz hätte ich niemals die Abenteuer, die ich beschreiben will, gewagt.
    Ich habe ja dem Leser schon erzählt, wie ich bei meiner Ankunft von jenen Thieren belästigt wurde. Später wäre ich ein- oder zweimal beinahe in ihre Klauen gefallen, als ich ohne meinen Hirschfänger zufällig in einiger Entfernung von meiner Wohnung spazieren ging. Auch habe ich Grund zu dem Glauben, daß sie einigen Begriff hegten, ich gehöre zu ihrer Gattung. Daran war ich aber selbst Schuld, denn ich hatte oft meine Rockärmel aufgekrämpt, und Arme so wie Füße, wenn mein Beschützer bei mir war, ihnen nackt gezeigt. Alsdann kamen sie mir so nahe, wie sie dies wagten, und pflegten meine Bewegungen wie Affen nachzuahmen, wobei sie jedoch immerwährend Zeichen des Hasses offenbarten, so wie ein zahmer Affe mit Mütze und Strümpfen, wenn er in die Gesellschaft der wilden gelangt, stets verfolgt wird.
    Von Kindheit auf sind die Yähus ausserordentlich behende; einst fing ich einen dreijährigen Jungen und suchte durch alle Arten von Liebkosungen denselben ruhig zu machen, allein der kleine Kobold begann zu kreischen und mich mit solcher Heftigkeit zu beißen und zu kratzen, daß ich ihn aufgeben mußte; auch war es Zeit, daß ich ihn los ließ, denn eine ganze Heerde von alten Yähus lief bei dem Geräusch herbei; als sie aber fand, der Junge sey unverletzt (denn er lief mit größter Schnelligkeit), und da der fuchsbraune Klepper in der Nähe stand, wagte kein Yähu mir nahe zu kommen.

    Ich bemerkte, das Fleisch des jungen Thieres sey sehr stinkend; er hatte einen Geruch, der aus dem eines Wiesels und eines Fuchses zusammengesetzt, aber bei Weitem unangenehmer war.

Weitere Kostenlose Bücher