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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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der Woche und es war ihnen zu ihrem eigenen Erstaunen gelungen, diese Forderung auch durchzusetzen. Heute waren allerdings die Umstände alles andere als normal und so würden sie diesmal wohl zu viert bleiben, aber nach den abenteuerlichen Ereignissen im Hause Gieselke rechnete auch keine von ihnen mit Friederikes Erscheinen. Die war jetzt sicher mit anderen Dingen beschäftigt. Was bedauerlich war, denn sie hätte als Einzige über Insiderwissen verfügt.
    »Keine Frage, dieser Mann hätte es allemal verdient. Aber so ist es nicht gewesen. Jemand hat den Enkel umgebracht. Erschossen, habe ich gehört.« Christiane flüsterte nur noch.
    Gundula, die diese Woche den Abend ausrichtete, schenkte Weißwein in die Gläser und brachte für jeden einen Teller Jägerplatte, einen großen Brotkorb sowie Butter aus der Küche.
    Claudia sah ihren üppig garnierten Teller ein wenig schuldbewusst an und zögerte, ihre Gabel in die verführerisch duftende Wurst zu stoßen. »War der nicht noch ziemlich klein?« Sie nippte an ihrem Wein und knabberte an der Spreewaldgurke.
    »Sechs.«
    »Die arme Frau Gieselke. Als hätte sie in ihrem Leben nicht schon genug ertragen müssen!«, klagte Gundula theatralisch.
    »Wenn nur Friederike schon hier wäre! Sie weiß ja sicher genau, was da passiert ist«, seufzte Claudia gequält auf.
    »Die kommt heute nicht. Bestimmt wird sie jetzt bei Gieselkes gebraucht«, gab Traute schnippisch zurück. »Was ist? Magst du deine Wurst heute nicht?«
    »Ach – ja, doch. Ich meine, wisst ihr«, stammelte Claudia hilflos. »Es kommt mir irgendwie falsch vor. Wir sitzen hier und genießen, dabei ist nur ein kleines Stück von hier entfernt ein Kind gestorben!«, schloss sie weinerlich.
    »Herrgott, Claudia!«, stöhnte Christiane genervt. »Dann dürften wir uns nie zu einem Plausch treffen! Alle fünf Sekunden stirbt irgendwo auf der Welt ein Kind unter 10 Jahren.«
    »Du kannst deine Wurst nicht gut in eines der Lager in Afrika schicken. Die verdirbt!«, höhnte Traute und verzog die schmalen Lippen zu einem gemeinen Grinsen, als sie das schmerzlich verzerrte Gesicht der anderen sah.
    »Ja. Ich bin ja nicht naiv! Aber diesmal ist es so nah«, keuchte Claudia und schob sich endlich den ersten Bissen in den Mund.
    »Der arme Johannes. Der Junge tut mir wirklich leid. Erst verliert er den Sohn an die geschiedene Frau und kurz darauf stirbt das Kind«, meinte Christiane.
    »Der Junge ist nicht einfach so gestorben. Er wurde erschossen!«, stellte Gundula erbarmungslos klar.
    Claudia, die immer noch auf dem ersten Stückchen Wurst kaute, erschrak und spülte es mit einem kräftigen Schluck Wein hinunter.
    »Und überhaupt«, Traute beugte sich weit vor, damit sie die Stimme senken konnte, »wollte die Mutter mit dem Kleinen auswandern. Ob nun in Australien, Kanada oder tot – was macht das für den Vater für einen Unterschied?«

8
    Annabelle warf sich unruhig hin und her. Die Nachtschwester, die in regelmäßigen Abständen ins Zimmer des Mädchens kam, legte besorgt ihre Hand auf die heiße Stirn der Kleinen und strich ihr behutsam die schweißnassen Haare aus dem Gesicht. So eine arme Seele, dachte sie mitfühlend, was für ein schreckliches Erlebnis. Schwester Sybille überlegte, ob sie nicht den diensthabenden Arzt rufen sollte. Vielleicht wäre es ja besser, die Patientin aufzuwecken?
    Annabelle stöhnte laut und drehte sich schwer atmend auf den Rücken zurück. Ihr Gesicht zuckte wild, die Hände fuhren aufgeregt über die Decke.
    Ein Unwetter war aufgezogen, es donnerte laut und ein heftiger Wind heulte um die Ecken des Gebäudes. Gruselwetter, schoss es der Schwester durch den Kopf. Gerade heute, als hätte das Mädchen nicht schon genug Gräuel erlebt, mussten auch noch diese Geräusche ihre Albträume beflügeln.
    Sie trat ans Fenster und überprüfte, ob es gut verriegelt war. Als sie auf dem Weg zur Tür wieder am Bett vorbeikam, hatte das Mädchen beide Augen weit aufgerissen und stierte angestrengt in die Dunkelheit.
    »Ganz ruhig, Annabelle. Hier bist du in Sicherheit«, versicherte Schwester Sybille und wollte beruhigend nach der Hand des Kindes greifen. Doch Annabelle entwand sie ihr.
    »Da! Da läuft ein schwarzer Mann durch den Garten! Maurice! Maurice!«
    »Wach auf, Annabelle! Hier kann dir nichts geschehen! Wach auf! Ich bin bei dir! Niemand kann dir etwas antun!«
    Doch die Worte erreichten das Mädchen nicht. Annabelle begann schrill zu kreischen und schlug wild um sich, als

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