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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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zusammen. Die Mutter ging mit beiden Kindern sehr liebevoll um. Und der Vater! Du liebe Güte. Als er die Aussage seines Sohnes vorgelegt bekam, ist er in Tränen ausgebrochen.«
    Während sie sprach, suchte sie in den Metallschubladen einer Hängeregistratur nach dem entsprechenden Ordner. Endlich zog sie eine dicke Akte hervor und legte sie auf ihrem Schreibtisch ab. »Ist aber auch ein schwerer Schlag, wenn der Sohn den neuen Vater toller findet als den leiblichen. Aber auch die Mutter machte einen betroffenen Eindruck. Ich glaube, die Begeisterung des Kleinen für den neuen Papa war ihr ein bisschen peinlich.«
    »Wäre es nicht denkbar, dass Maurice vorab bestochen wurde?«
    Gesine Wagners Gesicht nahm einen nervösen Ausdruck an. »Wir fragen in solchen Fällen immer behutsam nach Geschenken oder Versprechungen, die gemacht wurden. Ob der neue Papa in letzter Zeit netter ist als sonst. Maurice hat das bestritten.«
    »Kinder sind ja auch nicht zu bestechen«, meinte Michael Wiener. »Die merken sofort, wenn man sich bei ihnen einschleimen will.«
    Zu seiner Überraschung fuhr Frau Wagner ihn unfreundlich an. »Das ist eine komplett irrige Annahme. Solch eine dumme Volksweisheit! Natürlich sind sie bestechlich. Und wie!«
    Sie fuhr mit den Händen durch ihre Frisur. Für Wiener sah es so aus, als raufe sie sich die Haare über so viel Unwissenheit.
    »Abgesehen davon setzen Eltern Bestechung durchaus als Erziehungsmittel ein: Wenn du jetzt brav bist, bekommst du dies oder das. Aber bei den Sorgerechtsverfahren soll das plötzlich keine Rolle mehr spielen!«
    Die junge Dame, die auf den Kripobeamten gar keinen so erregbaren Eindruck gemacht hatte, kam ins Stocken. Eine zarte Röte kroch vom Dekolleté über den Hals bis auf die Wangen. Sie zog die Schreibtischschublade auf und schloss sie sofort wieder.
    Wiener unterdrückte ein Schmunzeln. Eine Übersprunghandlung, nach deren Erledigung Frau Wagner sich wieder auf den Gegenstand des Gesprächs zu konzentrieren versuchte. Der emotionale Ausbruch war ihr unangenehm.
    »Maurice hat also behauptet, niemand habe versucht, ihn zu beeinflussen?«, half der Ermittler ihr über die entstandene Gesprächspause hinweg.
    »Keine Geschenke, keine Überraschungen, kein Überreden. Allerdings hat er begeistert von der bevorstehenden Kanadareise gesprochen, von wilden Tieren und abenteuerlichen Ausflügen in die Natur. Bei einer Entscheidung für den leiblichen Vater hätte er auf all diese aufregenden Dinge verzichten müssen.«
    »Das war ihm bewusst?«
    »Hören Sie – der Junge war sechs! Kein Kleinkind.«
    »Seine Schwester Annabelle wollte beim Vater bleiben.«
    »Ein seltsam verschlossenes Kind. Wortkarg. Ungewöhnlich abweisend. Sie war über die Trennung der Eltern unglücklich, aber der Bruder scheint ihr herzlich gleichgültig gewesen zu sein. Kanada hätte sie auch gereizt, erzählte sie, aber sie habe mit ihren Freunden vereinbart, hierzubleiben.« Ein plötzliches Lächeln milderte die strengen Züge ihres Gesichts. »Es gibt so eine Phase, da besprechen und entscheiden die Kinder alles mit ihren Freunden. Klamotten, Verhalten – alles. Mein Sohn ist da auch nicht anders. Manchmal ist Elternsein ein hartes Los.«
    »Herr Gieselke muss den Eindruck gewonnen haben, keines der Kinder wollte wirklich bei ihm leben.«
    »Unbestreitbar war das so. Er weinte.«
    »Hatten Sie den Eindruck, er war überrascht?«
    Gesine Wagner schloss die Augen und dachte nach. Dann sagte sie leise: »Vielleicht. Ich glaube, es hat ihn auf jeden Fall tief verletzt.«

16
    Albrecht Skorubski machte sich auf die Suche nach Frau Gieselke. Er fand sie im Keller. Der Raum war fensterlos, vom Boden über die Wände gefliest, unmöbliert und kühl. In der Mitte hing kopfüber ein lebloser Körper.
    »Du liebe Güte! Haben Sie mich erschreckt! Hat man denn nicht einmal hier mehr seine Ruhe?«, fuhr sie den Kriminalbeamten an. »Das ist doch wirklich nicht zu glauben!« Sie griff zu einem langen Messer.
    »Hat Ihr Mann den Keiler erlegt?«, fragte Skorubski und schalt sich albern, weil er dabei die Augen nicht von der glänzenden Klinge in ihrer Hand lösen konnte.
    »Nein. Dieser Keiler hier wurde angefahren.«
    »Ach«, war alles, was dem Ermittler dazu einfiel.
    »Ein Bekannter hat ihn gestern Vormittag zu uns gebracht – und bei all dem«, sie wedelte unbestimmt mit der freien Hand durch die Luft, »bin ich nicht mehr dazu gekommen, ihn aus der Decke zu schlagen.«
    Mit seltsam

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