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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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Menschen so präzise voraussagen könnten, würde ich mir ihre seherischen Fähigkeiten gut bezahlen lassen!« Er drehte sich um und bedeutete dem Hauptkommissar, ihm zu folgen. Nach wenigen Metern erreichten sie ein kleines Holzhaus. Statt Fenstern hatte es Luken und an der Sonnenseite war eine Voliere angebaut.
    »Hier wohnen meine Schätzchen. Habe ich selbst gebaut«, erklärte Felix Andermatt stolz. Er zog einen dicken Schlüsselbund aus der Tasche und öffnete das beeindruckende Vorhängeschloss, das einen stabilen Stahlriegel sicherte.
    »Diese Vorsichtsmaßnahmen sind doch nicht notwendig, um Ihre Tiere an unangemeldeten Ausflügen zu hindern!«, stellte Nachtigall nüchtern fest.
    »Stimmt«, gab der Züchter knapp zurück.
    »Also?«
    »Nicht alle Menschen mögen meine Schätzchen. Einige meiner Nachbarn schießen sogar nach ihnen. Es ist erst ein paar Tage her, da fand ich meinen preisgekrönten Zuchttauber auf meinem Fußabtreter. Leider hat der Schütze versäumt, seine Visitenkarte zu hinterlassen.«
    Sarkasmus lässt ein Gesicht altern, dachte Nachtigall. Er zwang einen grantigen Zug um Andermatts Mund und Augen.
    »Aber warum? Tauben sind doch friedliche Vögel!«
    »Taubenkot greift Bauwerke an, meine Tiere stören die Ruhe, Tauben übertragen gefährliche Krankheiten. Ornithosen, die die Lunge betreffen, Milben, Flöhe. Sie glauben ja nicht, mit welchem Argwohn meine Tiere und ich beäugt wurden, als die Hysterie um die Übertragung von H5N1, der Vogelgrippe, ihren Höhepunkt erreicht hatte!« Er öffnete die Tür. »Und so friedlich, wie immer berichtet wird, sind sie auch nicht. Ja, ich weiß, man wählte sie zum Friedensboten, sie können mit ihren Schnäbeln niemanden ernsthaft verletzen. Ganz anders als Rabenvögel. Aber ich habe schon erlebt, wie eine Taube einer anderen mit diesem stumpfen Schnabel tödliche Verletzungen beigebracht hat. Steter Tropfen … Sie verstehen?«
    »Wollen Sie sagen, eine hat die andere niedergedrückt und so lange irgendwohin gepickt, bis sie tot war?« Nachtigall sträubte sich. Er konnte sich ein solches Szenario nicht vorstellen.
    »Nicht irgendwohin. Auf den Kopf. Und außerdem sind es intelligente Tiere.«
    Sie betraten das Häuschen und Nachtigall sah sich interessiert um. An den Wänden zogen sich Käfige entlang, deren Türen mit Maschendraht bespannt waren. Manche der Tauben flogen aufgeregt im Raum umher, andere beobachteten den Fremdling von einem sicheren Landeplatz aus. Ein angenehmes, beruhigendes Geräusch erfüllte das Holzhaus.
    »Ich freue mich in jedem Frühling, wenn ich dieses Gurren in meinem Garten höre! Es ist das Signal dafür, dass der Winter keine Chance mehr hat«, erzählte Nachtigall.
    Andermatt verzog das Gesicht. »Viele meiner Nachbarn sehen das anders. Sie möchten nicht durch meine Tiere geweckt werden, erst recht nicht am Wochenende. Als ob Tauben den Rhythmus der Menschen begreifen könnten!«
    »Die ist ja schön!« Eine schneeweiße Taube landete mit abgespreiztem Schwanzgefieder auf dem Holztisch an der Stirnseite des Gebäudes.
    »Ja – das ist Isolde. Eine Turteltaube. Sie ist eine vermehrungsfreudige Dame und ich verdanke ihr eine ganze Menge besonders prachtvoller Nachkommen.«
    »Die haben alle Namen?«, staunte der Hauptkommissar.
    »Aber ja. Für Sie mag es schwierig sein, die Tiere voneinander zu unterscheiden. Der Züchter kann natürlich jedes seiner Exemplare eindeutig identifizieren. Und Isolde ist nicht nur eine fantastische Zuchttaube«, er streckte seine Hand aus und der Vogel kletterte ohne jedes Zögern darauf, »sie ist auch ganz besonders zutraulich.«
    Graue, weiße, rote, gescheckte Tauben, wohin man auch sah. Peter Nachtigall war beeindruckt.
    »Walter Zesch behauptet, ein Todesvogel habe den Tod im Haus der Gieselkes angekündigt. Sein Enkel erzählte mir allerdings, dieses Heulen, von dem sein Großvater sprach, käme von Ihren Tauben. Ich muss wohl zugeben, dass ich mich mit Tieren nicht so gut auskenne – am ehesten noch mit Katzen – aber ich habe noch nie eine Taube heulen hören!«
    »Der Enkel hat dennoch recht. Das Geräusch kommt von den Tauben, aber sie erzeugen es nicht.«
    Er lachte amüsiert, als er den verwirrten Gesichtsausdruck des Kriminalbeamten sah. »Ich zeige Ihnen, wie es funktioniert.«
    Felix Andermatt öffnete einen eingebauten Schrank und entnahm ihm einen schwarzen, flachen Koffer. »Tauben haben naturgemäß viele Feinde. Nicht nur die Menschen gehören dazu. Raubvögel

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