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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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körperlosen Bewegungen ging sie zu Werke. Es war klar, dass sie bei dieser Arbeit nicht mehr denken musste, alles funktionierte automatisiert.
    »Aus der Decke schlagen?«
    »Entschuldigung. Sehen Sie, ich gehe so viel mit Jägern um. Deshalb vergesse ich manchmal, dass nicht jeder ihren Jargon verstehen muss. ›Aus der Decke schlagen‹ bedeutet, ihm das Fell abzuziehen.« Dabei unterbrach sie ihr Tun nicht einen Moment. Zuerst trennte sie das Fell von der Kehle bis zum Bauch auf. Skorubski wurde bewusst, dass sie diese Handgriffe bereits tausendmal gemacht haben musste, und schauderte.
    »Ich möchte mich mit Ihnen über Maurice unterhalten.«
    Die Bewegungen Frau Gieselkes wurden ein wenig langsamer, kamen bald ganz zum Stillstand. »Maurice ist tot!«
    »Ich verstehe, dass dieser Tod ein schwerer Schock für Sie ist.«
    »Ja«, bestätigte die Großmutter und machte sich wieder an dem Schweinekadaver zu schaffen. Skorubski bemerkte mit Ekel, wie Blut auf ihre Gummistiefel tropfte.
    »Gibt es jemanden, der Ihre Familie so sehr hasst, dass er Maurice töten würde, um Sie und Ihren Mann zu quälen? Möchte jemand Sie leiden sehen?«
    Frau Gieselke starrte ihn so lange aus kalten, grauen Augen an, dass er sich zu fragen begann, ob sie seine Worte nicht verstanden habe. Doch dann flüsterte sie rau: »Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Sie unterstellen? Niemand tötet ein Kind, um die Großeltern zu strafen! Niemand!«
    »Wenn der Hass stark genug ist, schon.«
    »Wir werden sicher nicht von jedermann geliebt – keiner wird das. Immer gibt es Neider und Missgünstige. Aber deshalb musste doch Maurice nicht sterben! Ich glaube keine Sekunde, dass ein Mensch zu so etwas fähig wäre.«
    »Vielleicht richtete sich der Hass nicht gegen Sie beide, sondern hauptsächlich gegen Ihren Mann.«
    Frau Gieselke atmete laut durch. »Olaf ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Manch einer mag ihm seine Gurklinge neiden. Und er ist ein sehr guter Jäger. Es gibt viele Menschen, die den Abschuss von Wild noch immer nicht als Notwendigkeit begreifen. Selbst ernannte ›Tierschützer‹, ›Naturfreunde‹, ›Wolfswächter‹ und wie diese Gruppen alle heißen. Aber deswegen morden? Nein! Einige der Waffen meines Mannes sind teuer. Es wurde aber keine gestohlen – das scheidet damit ja wohl auch aus!«, zählte sie halsstarrig auf.
    »Wenn es all das nicht war«, Skorubski legte seine Stirn, deren ganze Ausdehnung von einem Basecap verdeckt wurde, in wulstige Falten, »dann hat der Eindringling etwas anderes von Wert gesucht. Maurice hat ihn dabei ertappt und …«
    »Ich besitze einige Schmuckstücke – Familienerbe. Sie haben einen eher ideellen Wert. Von den Auszeichnungen, die mein Mann gewonnen hat, bliebe wohl nach dem Einschmelzen nicht viel übrig.«
    »Fehlt etwas? Haben Sie das schon überprüft?« Wenn Blicke töten könnten, dachte Skorubski, hätte ich mit dieser Frage mein Schicksal besiegelt.
    »Nein! Unser Enkel wurde getötet! Uns stand nicht der Sinn nach einer Inventur!«, fuhr sie den Beamten an.
    »Sehen Sie doch jetzt bitte nach.«
    »So?« Sie breitete die Arme aus und präsentierte die blutverschmierte Schürze, die blutigen Gummistiefel und Handschuhe.
    »Sie müssen sich umziehen.«
    »Auch. Aber Sie müssen sich vor allem gedulden«, entgegnete sie wütend.
     
    »Herr Gieselke, ich muss all diese Fragen stellen, es ist nichts, was mir Freude bereitet«, leitete Nachtigall zu einem neuen Aspekt des Falles über. »Wurden Sie in letzter Zeit erpresst?«
    Olaf Gieselkes Augen verengten sich zu Schlitzen, er presste die Lippen so fest aufeinander, dass nur ein weißer Strich übrig blieb.
    Eine lange Pause entstand. »Unter anderen Umständen würde ich Sie jetzt aus dem Haus werfen!«, presste der Großvater schließlich hervor.
    »Unter anderen Umständen wäre ich gar nicht hier, um meine Fragen zu stellen«, parierte Nachtigall.
    Die ablehnende Stille bekam einen zornigen Charakter. Diesmal dauerte es lang, bis der Hausherr tief durchatmete und sich zu entspannen versuchte.
    »Nein. Keine Erpressung. Aus Ihrer Perspektive muss mein Leben einen schrecklich langweiligen Eindruck machen. Ich bin in keine strafbaren Handlungen verstrickt, meine Bank wickelt alle Geldgeschäfte für mich ab, ein Steuerberater regelt diese Verpflichtungen. Auf der Festplatte meines Computers finden sich weder kinderpornografische Darstellungen noch Snuff-Videos. Ich fürchte, ich lebe ziemlich unerpressbar, interessiere mich

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