Gurkensaat
häufig. Vielleicht war ja gar nicht Miriam, sondern Marita Hanser gestorben, kreisten seine Gedanken weiter um diese Frage. Oder sie hatte einen Schlüssel zu diesem Haus und war auf der Suche nach Ruhe hier untergetaucht, weil ihre Familie sie hier nicht vermuten würde?
»Frau Hanser? Frau Gieselke? Kriminalpolizei!«
Keine Antwort.
Der erste Raum, der vom Flur abging, führte in ein winziges Arbeitszimmer. Vor dem Fenster stand ein langer Schreibtisch, darauf stapelten sich Bücher, die zum großen Teil wie Nachschlagewerke aussahen. Nachtigall registrierte, dass hier ordentlich sauber gemacht worden war. Keine Schmutzschicht auf den Büchern, das Fenster geputzt.
War Frau Gieselke nur zum Spaziergang aufgebrochen und hatte vergessen, die Tür abzuschließen? Nun, irgendwann musste sie schließlich zurückkommen.
Er würde warten.
Nachdenklich kehrte er wieder in die Diele zurück.
»Wenn Frau Gieselke hier eingezogen ist, muss sich ja ein Hinweis darauf finden lassen«, murmelte er leise vor sich hin und stieg die enge Treppe ins Obergeschoss hinauf. Als er hinter der Schlafzimmertür drei blasse, aneinandergedrängte Jungs entdeckte, wusste er, dass der gemütliche Teil des Sonntags endgültig vorbei war.
Automatisch senkte er seine Stimme und ging in die Hocke. »Ich bin von der Kriminalpolizei.« Er zog seinen Ausweis hervor und zeigte ihn den Kindern.
Doch die drei starrten ohne eine erkennbare Regung auf die Legitimation. Nicht einmal ihre Pupillen bewegten sich. Die Jungs waren versteinert vor Angst, erfüllt von einer Panik, die, machte Nachtigall sich bewusst, nichts mit ihm zu tun haben konnte. Shit! Was war hier los? Rasch drehte er sich um und registrierte den Durchgang zu einem weiteren Raum. Düstere Vorahnungen machten sich breit.
»Was habt ihr gesehen?«, fragte er mit leiser Stimme.
Mario zeigte mit zitternden Fingern auf den Durchgang.
Was sollte er jetzt tun? Peter Nachtigalls Überlegungen gerieten ins Taumeln. Erst einmal mussten die Kinder hier raus, dann würde er nachsehen, was sich im angrenzenden Zimmer befand und danach … Das konnte er erst entscheiden, wenn er wusste, was ihn dort erwartete.
»Ihr drei geht nach nebenan. Dort wartet ihr auf mich. Ich gehe jetzt ins Nebenzimmer.« Sofort bemerkte er die Abwehr in ihrer Körperhaltung. Was auch immer dort zu finden war, es hatte das Trio gewaltig erschreckt.
Dennoch nickten die drei Köpfe synchron. In Zeitlupentempo setzten sie sich in Bewegung. Sie verschwanden noch tiefer in die Nische hinter der Tür.
Der Nebenraum entpuppte sich als winziges Bad.
»Frau Gieselke!«
Mit zwei Schritten war er bei der Frau, die in seltsam gekrümmter Position auf dem Boden neben der Toilette lag. Ganz offensichtlich hatte sie sich heftig übergeben. Um ihren Kopf herum hatte sich eine große Blutlache gebildet. Wahrscheinlich längst geronnen, stellte er mit professioneller Haltung fest. Er tastete nach den Pulsen an Armen, Hals und Knöcheln. Doch schon bei der ersten Berührung wurde ihm bewusst, dass hier jede Hilfe zu spät kam. Der Körper war kalt.
»Albrecht, tut mir leid, dass ich deinen Sonntag unterbrechen muss. Ich stehe hier in der Spreestraße neben Frau Gieselke. Sie ist eindeutig tot, nicht erst seit Kurzem. Fremdverschulden kann ich nicht ausschließen. Mal sehen, was der Arzt sagt.«
»Ich schick dir das ganze Team. Soll ich jemanden zu Gieselke fahren lassen, der ihm Bescheid gibt?« Albrecht Skorubski bemühte sich, seine Frustration zu verbergen. Wie immer in solchen Momenten haderte er mit sich wegen der Entscheidung, zur Kriminalpolizei zu gehen, speziell mit der, zur Mordkommission zu wechseln. Nach einer Mordserie vor ein paar Jahren hatte ihn ein so tiefer Widerwillen gegen den gewaltsamen Tod erfasst, dass er sogar eine Zeit lang mit dem Gedanken geliebäugelt hatte, die Abteilung zu verlassen.
»Nein. Das machen wir selbst. Ich komme mir sonst wie ein Drückeberger vor«, erklärte Nachtigall. »Sie hat sich erbrochen, vielleicht ist Gift die Ursache gewesen. Eine Kopfverletzung kann ich auch erkennen, aber ob das nun Ergebnis eines Schlags war oder von einem Sturz herrührt, kann ich natürlich nicht sagen. Ich habe hier drei Kinder aufgestöbert. Die werde ich ganz vorsichtig befragen und die Eltern informieren.«
»Gut. Aber so etwa 20 Minuten werden die Kollegen und ich sicher brauchen!«
»Bis gleich.« Er schob sein Handy in die Jacke zurück und machte auf dem Absatz
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