Gurkensaat
einfach noch keine Zeit zu reagieren.«
»Genau, vielleicht ist er gar nicht zu Hause.« Das schien Mario immer noch besser, als annehmen zu müssen, seine Mutter sei bereits im Besitz des verräterischen Schreibens.
»Ist der Akku wirklich geladen?« Albert zog skeptisch den linken Mundwinkel in Richtung Ohr.
»Klar. Was denkst du wohl?« Mario zeigte den Freunden das Display: Alles im grünen Bereich.
»Gut, wenn sich bis heute Nachmittag niemand meldet, sehen wir nach!«, beschloss der Freund und die anderen fügten sich.
52
Peter Nachtigall saß in seinem Wohnzimmer, stierte in das knisternde Kaminfeuer und verbreitete eine Atmosphäre des Unbehagens und der Ungeduld. Seine Finger klopften leise einen Rhythmus auf die Sessellehne, der nur zusammen mit den Überlegungen, die ihn beschäftigten, einen Sinn ergab. Zwei Mordopfer. Eine vermisste Person.
Das Einzige, was er an Informationen bekommen konnte, war eine Adresse. Miriam Hanser, Spreestraße, Cottbus.
Johannes Gieselke war nach langem Überlegen doch noch ein Name eingefallen, den seine Mutter manchmal erwähnt hatte und hinter dem er eine Freundin vermutete. Was für eine Familie! Offensichtlich wusste niemand, was der andere tat, plante oder dachte. Lauter Egomanen!, tadelte Nachtigall stumm.
Die Streife hatte bisher auch nicht gemeldet, der auffällige Porsche sei irgendwo entdeckt worden. Wie vom Erdboden verschluckt.
Seine Finger nahmen den unterbrochenen Rhythmus wieder auf.
»Möchtest du einen Kaffee?« Conny stellte ein Tablett auf dem Beistelltisch ab.
»Danke, gern! Aber danach muss ich noch mal weg. Ich fahre zu dieser Freundin. Seltsam, dass es immer noch Leute gibt, die kein Telefon haben. Ich hätte gedacht, gerade wenn man älter wird, nutzt man es besonders intensiv.«
»Oh, du meinst, wenn man das Haus wegen all der Gebrechen nicht mehr verlassen möchte?« Er hörte, wie ihr Lachen nur darauf wartete, freigelassen zu werden. »Deshalb hast du auch gleich zwei Apparate, ein Handy und Internet!«
»Genau! Der kluge Mann baut vor. Außerdem ist die andere große Gruppe, die das Telefon dringend braucht, unsere Zukunft. Die Jugend. Da ist es Ausdruck des Verfalls, aber des geistigen. Du weißt schon, während der Pubertät schwinden jede Menge Hirnzellen rapide!«
»Stimmt!«, lachte Conny gut gelaunt. »Bei manchen hat man den Eindruck, sie konnten diesen Verlust nie wieder ausgleichen!«
Eine halbe Stunde später war Peter Nachtigall auf dem Weg, um Irma Gieselkes Freundin einen Besuch abzustatten.
Albert, Mario und Lukas schlichen vorsichtig zum Parkplatz am Badesee Madlow. Der Wagen stand noch immer dort und erweckte nicht den Anschein, bewegt worden zu sein.
»Guck mal, der Zettel ist immer noch da. Glaubst du, der Besitzer könnte verreist sein?«, fragte Mario.
»Wisst ihr was?« Lukas war plötzlich ganz zappelig. »Ich glaube, ich kenne das Auto!«
»Uih. Das fällt dir aber wahnsinnig früh ein!«, höhnte Mario
»Ja, finde ich auch!«, gab Lukas ungerührt zurück.
»Du willst dich doch bloß wichtigmachen!«
»Nein, will ich nicht! Es ist mir gerade eingefallen. Ich habe gesehen, wie eine alte Dame ausgestiegen ist! Sogar schon dreimal!«
»Dann weißt du vielleicht auch, wohin sie gegangen ist? Ich meine, vielleicht besucht sie ja jemanden«, mischte sich Albert ein, bevor Mario eine wütende Antwort geben konnte. »Ich frage ja nur, weil wir doch die Angelegenheit in einem persönlichen Gespräch klären wollten. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit dazu.« Er warf Mario einen warnenden Blick zu. Sie hatten jetzt wirklich keine Zeit für einen albernen Streit.
»Nun ja – eigentlich weiß ich natürlich nicht, wohin sie geht.«
»Aber uneigentlich?« Albert ließ nicht locker.
»Einmal habe ich gesehen, wie sie da hinten in einem Haus verschwunden ist.« Er deutete vage nach rechts.
»Worauf warten wir dann noch?«, beendete Albert die Diskussion und lief los.
»Wir können doch nicht einfach klingeln und fragen: ›Hallo, haben Sie zufällig gerade Besuch von der Frau mit dem roten Auto? Mit der würden wir nämlich gern mal sprechen‹«, empörte sich Mario, als er keuchend zu Albert aufgeschlossen hatte.
»Dame«, korrigierte Albert ungerührt. »Es heißt Dame – nicht Frau. Wir klären das jetzt sofort. Hast du nicht heute Morgen selbst gesagt, noch eine schlaflose Nacht könntest du nicht ertragen?«
Sie öffneten vorsichtig das Gartentor und fanden eine Treppe, die zum Eingang des
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