Gut gebrüllt Löwe
Blech, der nur auf die erste beste Gelegenheit wartete, den fürchterlichen Rao zu verlassen.
Aber der hielt ihn zurück. Er sah seinen General aus eng zusammengekniffenen Augen an und zwirbelte sich den Bart. »O nein! Das würde einen zu schlechten Eindruck machen! Eine ganze Armee gegen einen Löwen, das sieht ja nach Feigheit aus. Und nach dieser feindseligkriegerischen Aktion würde das Bürschlein Panja unsere Einladung nicht mehr annehmen. Hm, ich möchte doch gern einmal sehen, wie stark und mutig mein General ist: General Blech wird gegen den Löwen ganz allein kämpfen!«
»Wie-wie-wie-bitte?« stotterte der General.
»Wir veranstalten ein Volksfest. So etwas macht beliebt. Das haben die Leute gern. Wir laden den Löwen ein, auf dem Marktplatz von Burugel gegen General Blech zu kämpfen. Heute nachmittag!«
»Nei... nei... nei... nein!« war alles, was der General herausbrachte.
»Aho!« sagte Rao scharf. »Ich habe einen Feigling zum General. Nun, dann werde ich einen anderen ernennen und den alten in den Kerker werfen!«
»Gnade!« jammerte der General.
»Kampf oder Kerker!« sagte Rao.
»Ka... Ka... Ka... Kanade!« flehte der General.
»Kampf oder Kerker!« drohte Rao.
»Ka... Ka... mpf!« stöhnte der General.
»Nun also!« Rao war befriedigt. »Wir werden schon dafür sorgen, daß sich der Löwe an deiner Rüstung die Tatzen wundschlägt und das große Maul zerreißt. Wehe, wenn du ihn nicht besiegst und ihn so verprügelst, daß er sich wochenlang mit gebrochenen Knochen nicht bewegen kann und den Wunsch hat, schleunigst in einer Sänfte aus Nekaragien heraustransportiert zu werden! Haha!«
»Heute nachmittag schon? Ich muß doch erst noch trainieren!«
»Bis dahin kannst du trainieren. Inzwischen rufen wir den Kampf in Burugel aus, so daß der Löwe ihn annehmen muß, wenn er nicht als Feigling gelten will. Ein Korporal, ein Trommler und ein Trompeter der Blechbüchsenarmee sollen durch Burugel ziehen und alle einladen zuzusehen. Erst danach werden sie unsere Herausforderung auf Schloß Firifalo überbringen. Ha! Ich möchte das Gesicht dieses törichten, eingebildeten Löwen sehen! Er wird denken, daß es für ihn nur ein Kinderspiel sein wird, meinen General zu besiegen. Er wird darauf verzichten, sich zu panzern und zu schützen! Ihm wird Hören und Sehen vergehen...«
»O ja-ja-ja! Das wird ihm«, klapperte der General mit allem verfügbaren Blech.
»Und du, mein überaus kluger, allwissender Berater«, sagte Rao und wandte sich dabei an den Gibbon, »du wirst wiedergutmachen, was du schlecht gemacht hast. Wenn der Tumult des Kampfes am größten ist, wenn jeder nur Augen für den Löwen und den General hat, wenn alles brüllt, schreit, tobt, dann wirst du mit deinen langen Armen den Prinzen blitzschnell von hinten ergreifen, ihm den Mund zuhalten und dich mit ihm über die Bäume, Häuser und Dächer in die Burg Machatofel schwingen.«
Der Gibbon nickte: »Es wird geschehen!«
Die Trommel donnerte dumpf, die Trompete schmetterte hell. So zog der Korporal der Blechbüchsenarmee durch die Straßen der Stadt Burugel. Einen Speer mit einer prächtigen Standarte trug er in der Hand. Von überall her liefen die Leute zusammen — der Schuster legte den Hammer weg, der Schneider die Schere, die Hausfrau den Kochlöffel, der Teppichweber Sassamar den Wollfaden. Sogar die wahrsagende Hexe Zukuruku in der Höhle des Berges Dadapoetel hob das zerzauste Haupt.
Auf dem Marktplatz kommandierte der Korporal: »Blechbüchsen — halt! — Trompete — tataü — Trommel — trommtromm!! — Ruhe!!«
Dann wickelte er eine Papierrolle auseinander und verkündete:
»Nekaragier, Einwohner der Stadt Burugel. Gestern abend hat ein in unser Land eingereister Löwe den General unserer tapferen Armee beleidigt und behauptet, er würde ihn ohne jede weitere Waffe mit einem einzigen Schlag seiner Vorderpfote gleich einer Fliege vom Tisch wischen. Unser tapferer General kann das nicht auf sich sitzen lassen. Er wird dem frechen Großmaul den Rachen stopfen. Er fordert den Prahlhans auf, heute nachmittag Punkt drei Uhr hier auf dem Marktplatz einen sportlichen Wettkampf mit ihm auszutragen. Besiegt ist, wer ohnmächtig liegenbleibt oder wen das Publikum dafür erklärt. Der Beleidigte kann sich bewaffnen, wie er will, dem Löwen genügen nach seinen eigenen Worten seine Pfoten. Zum ersten Mal seit Wochen wird Prinz Panja sich bei dieser Gelegenheit wieder seinem Volk zeigen! — Trompete — tata!! —
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