Gut gebrüllt Löwe
Satz auf die Mauer zu springen. Wenn ich dann in der Burg bin, räume ich drinnen tüchtig auf. He, Sultan — was ist mit dir los?«
Der Sultan stand in tiefes Nachdenken versunken da. »Warte nur... warte noch, es muß mir erst wieder einfallen... «
»Was?«
»Nun, was? Wenn ich es nur wüßte!« sagte der Sultan. »Aber es ist sehr wichtig. Seid still und laßt mich überlegen. Inzwischen soll der Flamingo über die Burg fliegen und uns melden, was er sieht.«
Der Flamingo flog davon; der Sultan stand unbeweglich wie ein Denkmal da — das Schwert in den Boden gerammt — , und Löwe und der Elefant ließen sich auf dem Rasen nieder.
Auf offenem Feuer
Auf der Burg Machatofel rappelten sich die Soldaten und Rao nach dem unsanften Sturz in den Hof wieder auf und wischten sich das Wasser aus dem Gesicht. Die Blechbüchsen glänzten und tropften wie nach einem frischen Regen.
Durch das Hoftor wurde die Schildkrötenkugel getragen. »Ram-tamm-tata-tamm«, machte die Trommel, und die Erde dröhnte unter dem Schritt der schweren Stiefel.
Der Korporal salutierte: »Melde gehorsamst: Befehl ausgeführt, Schildkröte im Wollwickel eingefangen!«
»Gut«, lobte Rao. »Wir werden an ihr ein Beispiel geben, wie es Verrätern und fahnenflüchtigen Feiglingen ergeht. Jeder soll es sehen, jeder!« rief er so laut, daß es auch der weitestentfernte Soldat mit den ungewaschensten Ohren hörte.
Unbeweglich standen die vier Lanzenträger mit der Kugel, die aussah wie der abgeschlagene, aufgespießte Kopf eines Riesen.
»Aufstellen!« befahl Rao, und alsbald stand das seltsame Gestell, das jetzt mehr einer Spinne mit dürren, langen Beinen glich, in der Mitte des Burghofes. Alle Blechbüchsen mußten einen Kreis darum herum bilden, mit Ausnahme einer Wache auf der Mauer, die den Befehl hatte, Löwe, den Sultan und den Elefanten nicht aus dem Auge zu lassen und jede verdächtige Bewegung sofort zu melden. Aber die drei verharrten noch genauso unbeweglich wie zuvor.
Aus der Unterwelt des Burgverlieses tauchte der Gibbon auf. Seine Augen funkelten böse. »Der Prinz weigert sich, seine Abdankung zu unterschreiben!«
»Dann werden wir ihm ein wenig Angst einjagen«, knurrte Rao und rasselte mit dem Kettenhemd. »Korporal! Führe sofort den Gefangenen hierher!«
Der Korporal stieg mit zwei Soldaten in das Gefängnis hinab und kehrte nach einiger Zeit mit Prinz Panja zurück. Der Prinz war bleich, seine Haare hingen ihm wirr in die Stirn, an seinem weißen Gewand hafteten Strohhalme, aber er hielt sich aufrecht und musterte seinen Onkel mit hoheitsvoller Miene.
Eine kaum merkliche Bewegung ging durch die Reihe der Soldaten, aber der eiserne Blick Raos zwang jeden unter seine Gewalt. Der Flamingo strich blitzschnell über den Burghof, und sein Herz krampfte sich beim Anblick des Prinzen zusammen.
»Schießen!« befahl Rao — doch erreichten die eilig in die Höhe geschnellten Pfeile den Vogel nicht, der sich auf einem Sims verbergen konnte und seinen beweglichen Hals so geschickt um einen Erker herumbog, daß ihm nichts entging.
Rao wandte sich an den Prinzen: »Ich will dir beweisen, daß ich ernst mache. Vielleicht besinnst du dich dann noch rechtzeitig. In dieser Kugel befindet sich die Schildkröte Kolossalis. Eine Zeitlang war sie deine Freundin und Dienerin. Du sollst Zeuge sein, wie ich sie dafür strafe, daß sie meinen Dienst treulos verließ. Vor deinen — vor aller Augen werde ich sie hier auf offenem Feuer rösten und aus ihrem saftigen Fleisch Schildkrötensuppe machen.«
»Das wirst du nicht tun!« sagte Panja und trat mutig einen Schritt vor.
»Hoho! Wer könnte mich daran hindern? Korporal, schichte Holz und Reisig unter die Kugel, aber nicht zu wenig!«
Bald sah es so aus, als ob im Hof ein vierbeiniger Kochkessel über einem Holzstoß stünde.
»Legt Feuer!« befahl Rao.
Eine kleine Flamme züngelte im Holz, eine zarte Rauchfahne stieg in die Höhe.
»Löscht das Feuer!« rief Prinz Panja.
Allein, keine Hand rührte sich.
»Ich will doch sehen, wie weit du das Spiel zu treiben wagst!« sagte der Prinz. »Wenn du das Feuer nicht löschst, mußt du mich vor aller Augen mit verbrennen. Hast du den Mut dazu? Fürchtest du nicht den Zorn meines Volkes, die Rache meiner Freunde?«
So behende, daß ihn niemand zurückhalten konnte, kletterte der Prinz an einer Lanze empor, krallte seine Finger in das Gewirr der Fäden und erklomm die Kugel. Er setzte sich rittlings darauf, wie auf den Rücken eines
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