Gut genug - Erzählung
weil es hell ist und die Geschäfte aufmachen, und wenn du die Straße hinuntergehst, bist du regelrecht auf der Welt. Auch wenn die Häuser kippeln.
Ich habe ziemlich lange gewartet, bis die Nachbarn anfingen, ihre Geräusche zu machen, und in der Zeit überlegt, daß ich, sobald es nur hell ist, Flo in die Decke einwickeln und zur Stadtbücherei gehen könnte, weil das ein Ort ist, wo es nicht regnet und trotzdem nichts kostet, und zugleich könnte ich nach Büchern suchen, in denen du eine Idee kriegen kannst, wie es geht. Sobald die Nachbarn mit der Klospülung und der Kaffeemühle anfingen, war ich sicher, alles zu schaffen, weil ich bis hierhin gekommen war und jetzt der Tag begann. Irgendwie würden wir in diesen Tag gehören und passen, habe ich gedacht und mich mit aller Kraft an den Tag geklammert, damit er mich nicht aus Versehen losläßt und vergißt und wir verlorengehen.
Als ich um neun mit Flo bei der Stadtbücherei war, hatte sie noch zu und machte um zehn erst auf. Ich bin es nicht gewöhnt gewesen, um neun vor der Stadtbücherei im Regen zu stehen und nicht zu wissen, wo ich die nächste Stunde sein soll. Wenn Sie nachdenken, fällt Ihnen auch nicht sehr viel dazu ein. Die Welt ist möglicherweise rund und bunt und ein einziger Selbstbedienungsverein gewesen, aber ich hatte nicht vor, etwas davon zu kaufen, weil ich nichts gebraucht habe und auch nicht viel Geld in der Tasche hatte. Sicherheitshalber stecke ich wenig Geld ein, wenn ich nichts einkaufen will, weil es mir sonst passieren kann, daß ich mir einbilde, etwas zu brauchen, und sobald ich es habe, weiß ich, daß ich es niemals brauche, und meine Wohnung ist nicht groß genug für Sachen, die ich nicht brauchen kann. Kaffee hatte ich reichlich getrunken. Überreichlich. Noch ein Kaffee, und mir würde schlecht. Mir fiel nicht ein, wo ich hingehen könnte, also bin ich wieder in den Kaufhof gegangen. Eine Zeitlang in die Spielzeugabteilung und dann in die Sportabteilung, weil das die beiden Abteilungen waren, wo ich sicher sein konnte, daß ich nicht anfangen würde mir einzubilden, ich könnte davon etwas brauchen.
In der Stadtbücherei haben sie ein eigenes Regal fürs Kinderkriegen, und eine Unterabteilung davon ist das Kinderhaben. Ein zweites Regal ist für was man als Mutter falsch macht. Es ist ein beunruhigend großes und volles Regal. Manche Bücher liegen noch quer oben drauf, weil sie nicht mehr hineingepaßt haben, und ich habe zuerst fünf Bücher ausgeliehen und später wieder fünf andere Bücher und nochmal fünf und nochmal, und nach und nach habe ich alle Bücher über das Kinderhaben und Falschmachen als Mutter gelesen, die in der Stadtbücherei zu haben waren. Und als ich alle durch hatte, wußte ich natürlich nichts darüber, wie es geht, aber ein paar erstaunliche andere Sachen. Ich hatte heraus, daß von den Leuten, die es probiert haben, keiner weiß, wie es geht, manche haben den Verdacht, es geht gar nicht. Und die, die wissen, wie es geht, haben es offenbar niemals probiert. Aber sie wissen, wodurch es schiefgehen kann, und wenn du hinguckst, ist es praktisch durch alles. Also durch alles, was du machst, und durch alles, was du nicht machst.
Außer du machst es gut.
Gut?
Wie gut?
Gut genug.
Natürlich hatten alle, die wußten, wie es geht und was man falsch machen kann, eingeschränkt wunderbare Mütter gehabt und die anderen allerfurchtbarste Mütter, und jetzt wußten sie nicht, wie es geht. Ist ja eigentlich klar. Blöderweise sind ausgerechnet die die Mütter geworden, die nicht wissen, wie es geht.
Sobald man mit Nachdenken anfängt, ist man schon längst verrückt.
Das alles habe ich nach und nach später herausgefunden.
In der Stadtbücherei ist Flo aufgewacht und hat nach einer Weile geschrien. Ich habe mich auf einen Stuhl gesetzt und ihm zu trinken gegeben, weil ich dachte, auf dem Klo schlafe ich bloß wieder ein. Es sind ein paar Leute in der Stadtbücherei gewesen, und ich war sicher, gleich sagt jemand, daß ich weggehen soll, aber keiner hat etwas gesagt. Wenn man es erwartet, und es tritt dann nicht ein, muß man aufpassen, daß man nicht anfängt, dafür auch noch dankbar zu sein.
Auf dem Heimweg bin ich dem Mann mit dem Drehbuch begegnet, das ich im Winter getippt hatte. Es war jemand aus einer Welt, an die ich mich nicht mehr erinnern konnte, und natürlich habe ich mich gefreut, daß es diese Welt noch zu geben schien. Er hat gesagt, wie siehst du denn aus. Ich habe gesagt, keine
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