Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund
sammelt Spenden? »Andere sind doch viel wohlhabender.« Müll trennen? »Die Industrie macht so viel Müll, da helfen ein paar sortierte Joghurtbecher auch nicht weiter.« Die Nachbarn brauchen Hilfe bei der Kinderbetreuung? »Andere kennen sich viel besser aus mit Schnullern und Gutenachtgeschichten.« Bahn fahren für die Umwelt? »Andere rauschen auch mit ihrem Auto über die Autobahn, |56| warum soll ausgerechnet ich umsteigen?« Oma freut sich über Besuch im Pflegeheim? »Andere Familienmitglieder haben viel mehr Zeit als ich.« Der obdachlosen Frau ein paar Cent geben? »In diesem Land muss niemand verhungern.«
Viele gute Vorsätze kassiert der Schweinehund schon, bevor Sie diese überhaupt fassen konnten. Manchmal jedoch gelingt es, ein Vorhaben am Schweinehund vorbeizuschleusen. Aber Vorsicht: Wenn Sie erfolgreich beschlossen haben, in Zukunft gut und richtig zu leben, wird der Schweinehund wahrscheinlich versuchen, Sie wieder davon abzubringen. Zum Beispiel so:
Die Nebelmaschinen-Strategie
Eines der wirksamsten Anti-gut-und-richtig-leben-Mittel des Schweinehundes ist die Nebelmaschine. Sie hüllt Ihren bereits gefassten und kurz vor der Umsetzung stehenden guten Vorsatz so ein, dass Sie ihn kaum mehr erkennen können. So steht Ihnen Ihr Schweinehund bei der Formulierung Ihres Ziels »hilfreich« zur Seite und empfiehlt Ihnen zum Beispiel folgende Wischiwaschi-Formulierungen:
»Ich möchte ein bisschen mehr auf meine Mitmenschen achten.«
» Etwas mehr soziales Engagement wäre doch nicht schlecht.«
»In Zukunft will ich den Schutz der Umwelt etwas ernster nehmen.«
» Häufiger Zivilcourage zeigen – das sollte ich wohl tun.«
»Ich werde für mehr Gerechtigkeit im Kollegenkreis sorgen.«
»Mehr«, »häufiger«, »bewusster«, »entschiedener« – solche Vorhaben gefallen dem Schweinehund außerordentlich gut. Warum? Ganz einfach: Der Schweinehund weiß, dass sie zum Scheitern verurteilt sind, er muss sich dafür nicht einmal großartig anstrengen. Denn die menschliche Klugheit (eine der Kardinaltugenden, doch |57| dazu später mehr) kann nur wirksam werden, wenn sie den Weg zu einem bestimmten Ziel finden soll. Ist das Ziel jedoch im »Mehr oder-weniger-Stil« formuliert, liegt es wie im Nebel. Und ist der Mensch auch mit noch so viel Klugheit ausgestattet, hier wird er sich voraussichtlich verirren.
Das Gleiche gilt übrigens nicht nur für ungenaue Zielangaben, sondern genauso für nebulöse Zeitvorgaben. Etwa so:
» Irgendwann werde ich mal Mitglied in einem gemeinnützigen Verein.«
» Wenn ich mal mehr Zeit habe, lese ich ein Buch über Werte.«
» Bald ist es so weit, dass ich mal was spende.«
Das tückische an solchen Wischiwaschi-Formulierungen, die Ziel oder Zeit in Nebel hüllen: Sie fühlen sich im Augenblick, da Sie sie fassen, eigentlich damit ganz gut. Denn Sie sonnen sich in dem irrigen Gefühl, auf einem guten Weg zu sein, und genießen es gleichzeitig, dass dieser vermeintliche Weg überhaupt keine Anstrengung von Ihnen fordert. Aber eigentlich – um im Bild zu bleiben – irren Sie nur umher und Ihr Schweinehund folgt Ihnen treu und breit grinsend auf dem Fuß.
Die Möchtegern-Versuchsreihe
Wer wagt, gewinnt. Doch wer nur versucht, gewinnt meistens gar nichts. Denn hinter dem Versuch steht oft kein fester Wille, sondern eher ein vages Gefühl: das Gefühl, dass andere von Ihnen eine Verhaltensänderung erwarten. Doch Sie selbst können ganz gut mit Ihren schlechten Angewohnheiten leben. Vielleicht kennen Sie Situationen wie diese:
Jeden Sonntagnachmittag trifft sich die Großfamilie zum gemeinsamen Kaffeeklatsch. Und jedes Mal kommt Schwiegertochter Susanne |58| nicht, wie vereinbart, um 16 Uhr, sondern eine Viertelstunde zu spät, manchmal sogar eine halbe Stunde oder noch später. Und jedes Mal hat sie eine andere Erklärung parat: Mal ist es der Verkehrsstau, mal sind es die Kinder, dann ein dringendes Telefonat. Ihr Mann kann es gut verstehen, dass Susanne keine besonders große Lust auf die Familientreffen hat, dennoch ist ihm ihre Unpünktlichkeit peinlich. »Komm doch bitte pünktlich – es ist mir wichtig!«, sagt er. »Nächste Woche versuche ich, pünktlicher zu sein«, antwortet Susanne. Und ihr Schweinehund nickt zufrieden, während er sich schon eine Ausrede für die nächste Verspätung ausdenkt.
Das bisschen Unpünktlichkeit, ein klein wenig Verschwendungslust, ein leichter Hang zur Unordentlichkeit, eine nicht eingehaltene Zusage hier und
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