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Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund

Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund

Titel: Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco von Muenchhausen
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vermeintlich am wenigsten Arbeit und bringt keine Verunsicherung mit sich. Deshalb erledigen Sie an Ihrem Schreibtisch auch viel lieber Kleinkram, als eine Bewerbung zu schreiben. Oder sortieren lieber Socken, als Ihren neuen Schwarm anzurufen. In diesem Sinne kann auch das Goethe zugeschriebene Zitat verstanden werden: »Vor jeden Neubeginn stellen die Götter die Wächter der Angst.«
Durchhalten. Durchzuhalten ist eine besondere Ausprägung von Tapferkeit. Hierbei gilt es, an einer Sache dranzubleiben, trotz möglicher Niederlagen, Schmerzen, Bedenken und natürlich trotz aller Einflüsterungen des Schweinehundes, der alles tun will, einen zum Abbrechen zu bewegen. Der Lustgewinn und die Befriedigung, die man später quasi als Belohnung für das Durchhalten bekommt, ist für Ihren Schweinehund im Augenblick nicht zu erahnen.

    Fragen an Sie und Ihren Schweinehund:
     
In welchen Situationen torpediert Ihr Schweinehund tapferes Handeln – und lässt Sie vielleicht sogar auftreten wie ein »feiger Hund«? Was könnten dabei seine Gründe sein?
Wann lässt er Sie dagegen mutig und tapfer agieren? Und warum?
Was können Sie tun, damit Ihr Schweinehund in Zukunft mutiges und tapferes Handeln seltener sabotiert?

|84| Sabotage der Sekundärtugenden
    »Sekundärtugenden« – das klingt wie »Tugenden zweiter Klasse«. Tatsächlich sehen das einige Philosophen so, wenn sie diese als technisch oder funktional beschreiben. In diesem Sinne sind Sekundärtugenden so etwas wie die Hilfsarbeiter der Kardinaltugenden. Ob sie Gutes bewirken oder nicht, liegt nicht in ihrem Einflussbereich, sondern hängt davon ab, in welcher Sache sie eingesetzt werden. So kann ein Hochstapler durchaus eine geschliffene Höflichkeit an den Tag legen. Und ein Labor, in dem illegale Versuche durchgeführt werden, kann durchaus sauber und ordentlich sein.
    Andere sehen die Sekundärtugenden nicht als zweitrangig an – im Gegenteil. Ihrer Einschätzung nach werden in der Erziehung zuerst die Sekundärtugenden eingeschliffen, allem voran die Höflichkeit. Diese Dressur äußerer Formen führe schließlich zu einer guten inneren Haltung, nach dem Motto: Zuerst die guten Sitten , dann das gute Sein .
    Angesichts einer solchen Diagnose verwundert es nicht, dass der Schweinehund die Sekundärtugenden genauso wenig mag wie die Kardinaltugenden, vielleicht sogar noch weniger. Für ihn sind Sekundärtugenden eine Zumutung: Der Mensch bekommt sie in der Kindheit eingetrichtert, wird fortwährend ermahnt, dann verinnerlicht er sie (im besten Fall) und muss sich dennoch sein ganzes Leben lang immer wieder aufraffen, um nicht vom Pfad der Tugend abzukommen. Er muss sich immer wieder überwinden,  |85| so wie er sich auch zum Joggen immer wieder überwinden muss.
    »Was heißt hier ›muss‹? Da habe ich ein Wörtchen mitzureden«, regt sich der Schweinehund auf. Er weiß sehr gut, wie er sich um jedes »Muss« herumdrücken kann. Denn, wie gesagt: Wenn er muss, dann will er erst recht nicht. Da ist er genau so wie ein Kind in der Trotzphase. Er will lieber Spaß haben, seinen Launen folgen, Chaos veranstalten – das genaue Gegenteil von »geschliffen« sein.
    Aber seien Sie nicht zu streng mit dem borstigen Anteil Ihrer eigenen Persönlichkeit. Ihr Schweinehund hat ja auch die gute Absicht, Sie vor zu viel Anstrengung zu schützen. Deshalb kassiert er nicht nur Ihren Vorsatz, jeden Morgen zu joggen, sondern regelmäßig auch Ihre Sekundärtugenden. Denn wenn Sie in Sachen Disziplin, Pflichterfüllung, Zuverlässigkeit und Ordnung zu streng mit sich selbst sind, dann laufen Sie möglicherweise Gefahr, Ihre innere Balance zu verlieren und vielleicht sogar in einen Burn-out zu rutschen.
    Ihr Schweinehund schützt außerdem Ihr Ego. Ihre Autonomie ist ihm wichtig, und deshalb fällt es ihm so schwer, sich an Regeln zu halten, die ihm von außen vor die Nase gesetzt werden. Das betrifft allgemeine Umgangsformen (einen Dankesbrief schreiben) genauso wie konkrete Vereinbarungen oder Pflichten (das Protokoll bis 15 Uhr abliefern).
    Nicht zuletzt repräsentiert der Schweinehund den archaischen Teil Ihrer Persönlichkeit (anders gesagt: den kleinen Neandertaler in Ihnen). Kein Wunder also, dass er mit der Höflichkeit besondere Schwierigkeiten hat.
    |86| Anstand und Höflichkeit
Die Höflichkeit, diese chinesische
Kardinaltugend, ist eine stillschweigende
Übereinkunft, gegenseitig die moralisch und
intellektuell elende Beschaffenheit
voneinander zu

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