Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund
ignorieren.
Arthur Schopenhauer
Der Schweinehund will die Grundbedürfnisse seines Menschen so schnell und einfach wie möglich befriedigen. Es fällt ihm deshalb außerordentlich schwer, zum Beispiel mit dem Essen erst zu beginnen, wenn alle Platz genommen, sich »Guten Appetit« gewünscht haben. Im Supermarkt verhält sich der Schweinehund meist nicht viel anders als ein Neandertaler auf Mammutjagd.
Beim wöchentlichen Einkauf wundert Sabine sich jedes Mal über sich selbst: Entschlossen und wagemutig kämpft sie um die besten Stücke auf dem Wühltisch. Mit Adleraugen beobachtet sie die Bewegungen der Kassiererinnen. Nähert sich eine der Damen, um eine weitere Kasse zu öffnen, so stürmt sie an das freie Laufband, um ihre Beute möglichst schnell zahlen, dann in den Tiefen ihrer Einkaufstaschen und schließlich im Kofferraum ihres Kleinwagens in Sicherheit bringen zu können. Blockiert dann noch jemand ihre Garageneinfahrt, so sträuben sich ihr die Nackenhaare und sie verwandelt sich in eine fauchende Hexe. Was der Fahrer des anderen Fahrzeuges zu hören bekommt, soll hier aus Gründen des Anstandes dem Leser erspart bleiben.
Für den Schweinehund ist Höflichkeit in manchen Situationen nichts als eine überflüssige Äußerlichkeit. Er wehrt sich gegen die Disziplinierung durch gute Sitten , ist in den meisten Fällen lieber roh und ungeschliffen. Was der Anstand gebietet, ist ihm oft einfach zu viel Arbeit: Danksagungen schreiben, Antrittsbesuche abstatten, Small Talk, Begrüßung und Abschied. Es kommt sogar vor, |87| dass er nicht einmal Lust dazu hat, eine für den Anlass angemessene Kleidung aus dem Schrank zu ziehen.
»Lassen Sie mich vor – ich bin Schweinehund!«
Mit folgenden Argumenten versucht er, seinem Menschen das Leben leichter zu machen:
»Lass das doch, das ist doch sowieso altmodisch.«
»Andere machen sich auch nicht so viel Mühe.«
»Du hast keine Zeit für derartig komplizierte Sitten.«
»Höflichkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.«
»Es ist mir egal, wie man sich verhält. Ich verhalte mich so, wie es für mich gut ist.«
|88| Fragen an Sie und Ihren Schweinehund:
In welchen Situationen hindert Sie Ihr Schweinehund, höflich zu sein? Und aus welchem Grund?
Bei welchen anderen Gelegenheiten lässt er Sie dagegen Ihren Mitmenschen mit Anstand begegnen? Und weshalb gerade in diesen Fällen?
Was könnte Ihnen helfen, auch in Zukunft häufiger höflich und mit Anstand zu agieren?
Ordnung und Sauberkeit
Ordnung führt zu allen Tugenden.
Aber was führt zur Ordnung?
Georg Christoph Lichtenberg
Dinge sofort wegzuräumen macht scheinbar mehr Arbeit, als sie einfach irgendwohin zu pfeffern – dass es langfristig unangenehmer ist, eine völlig chaotische Wohnung wieder bewohnbar zu machen, verdrängt der Schweinehund. Langfristiges Denken ist ihm so fremd wie gute Sitten. Das Gleiche gilt für Sauberkeit: Dass es viel weniger Arbeit macht, regelmäßig zu putzen und kleine Malheure direkt zu beseitigen, als später fingerdicke Verkrustungen zu lösen – das scheint ihn nicht zu interessieren.
Geht es ums Aufräumen und Entrümpeln, wirft der Schweinehund Ihnen gleich mehrere Steine in den Weg:
Er verhindert den Anfang, weil Faulsein viel schöner ist als Aufräumen und er Unordnung gerne mag. (»Ich brauche kreatives Chaos.«)
Er zögert Entschlüsse hinaus, was wohin geräumt werden soll, weil er Angst hat, falsche Entscheidungen zu treffen. (»Ich kann das nicht.«)
|89| Er schlägt einen großen Bogen um Ablagestapel, daraus könnten ja unangenehme Vorgänge und unerledigte Korrespondenz hervorkommen.
Er vermeidet es, geliehene Gegenstände zurückzugeben, weil er zu faul dazu ist, aber auch zu habgierig.
Er verschiebt das Entrümpeln von Garage, Dachboden und Vorratskammer immer wieder, weil er einen starken Hang zum Horten hat (»In der Not werde ich froh sein, dass ich es habe!«), sich nicht von ehemals teuren Dingen trennen kann (sonst müsste er ja zugeben, dass er Geld möglicherweise verschwendet hat), niemanden vor den Kopf stoßen will (»Ich muss es in Ehren halten!«) und gern in schönen Erinnerungen schwelgt.
Bei Ordnung und Sauberkeit kommt nicht nur der gewöhnliche Schweinehund vor. Gelegentlich mischen sich auch neurotische Kollegen ins Spiel. So gibt es den zwanghaften, der gar nichts anderes tun möchte als putzen und räumen. Und auf der anderen Seite den »Messie«, der überhaupt nicht in der Lage ist, eine Wohnung
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