Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund
gefeit sein. Mehr noch: Er würde deshalb erfolgreich sein, weil er diesen nicht direkt ersehnt und angesteuert, sondern eher beiläufig erreicht hat. Der Erfolg selbst würde ihn noch bescheidener machen, als er ohnehin schon ist.
Karl Kraus hat dies einmal so formuliert: »Erfolg steigt erst dann zu Kopfe, wenn der dazu benötigte Hohlraum vorhanden ist.«
Tugend ist ein Nährboden für Erfolg.
3. Argument: Tugend ist ein Zeichen von Klugheit
»Ich bin klug«, sagt der Schweinehund stolz, »weil ich für mein Herrchen in jeder Situation das Optimum heraushole. Egal wie.« Doch das kann auf Dauer ein großer Irrtum sein:
Drei Arbeitskollegen haben eine Fahrgemeinschaft gebildet. Reihum ist jeder einmal dran, sodass Kosten und Fahrzeugverschleiß gerecht verteilt sind. Das System funktioniert zunächst ganz gut, doch |133| zunehmend schleichen sich Unregelmäßigkeiten ein, die immer von dem gleichen Kollegen ausgehen: Einmal braucht seine Frau dringend den Wagen, dann ist der Wagen in Reparatur, dann für die Wetterlage nicht geeignet. Es dauert eine ganze Weile, bis die beiden anderen Kollegen realisieren, dass es sich um nichts als Ausflüchte handelt. Sie fühlen sich ausgenutzt, stellen den Drückeberger aber nicht zur Rede. Allerdings geschieht es im Unternehmen immer häufiger, dass »versehentlich« wichtige Informationen an ihrem Mitfahrer vorbeigehen oder dass er zu Meetings nicht eingeladen wird.
Wer in jeder Situation den maximalen Profit für sich herausschlägt, ist vielleicht gerissen, aber nicht klug. Er fährt zwar jede Menge Punktsiege ein, indem er sich um Pflichten herumdrückt, andere übers Ohr haut und günstige Gelegenheiten aller Art beim Schopfe packt. Doch, schreibt Aristoteles, »eine Schwalbe macht noch keinen Frühling und auch nicht ein Tag. So macht auch nicht ein Tag oder eine kleine Zeitspanne den Menschen glücklich und selig.« 19
Langfristig nämlich manövriert sich der Mensch durch eine derartig egoistische Nutzenmaximierung aus dem sozialen Netz heraus, in dem jeder gibt und nimmt, kooperiert und sich – ohne groß darüber nachzudenken – um der Gemeinschaft willen freiwillig beschränkt. Der Philosoph Kurt Bayertz bezeichnet dies als »moralische Selbstbindung« des Menschen durch die Tugend: Er »akzeptiert eine Einschränkung seiner Handlungsfreiheit, um auf diese Weise Ziele zu erreichen, die andernfalls nicht oder schwerer erreichbar wären.«
Hier noch ein weiteres Beispiel, das Ihren Schweinehund überzeugen könnte:
Zwei Bankräuber sitzen im Gefängnis. Um ein Geständnis zu erreichen, wird den Ganoven folgendes Angebot unterbreitet:
Wenn einer gesteht und der andere leugnet, wird der Geständige freigesprochen. Der andere muss zehn Jahre lang einsitzen.
|134| Leugnen beide, kann ihnen die Untersuchungsbehörde statt des Bankraubs nur unerlaubten Waffenbesitz nachweisen. Dann müssen beide ein Jahr ins Gefängnis.
Gestehen beide, wird die Haftstrafe wegen ihrer Kooperationsbereitschaft auf fünf Jahre verkürzt.
Die Banditen können sich nicht absprechen, sondern nur erraten, wie sich der jeweils andere entscheiden wird: Gesteht der andere, ist es besser, auch zu gestehen. Dann gibt es fünf Jahre Haft. Leugnet der andere, ist es noch viel besser, zu gestehen. Denn darauf folgt der Freispruch. Also werden beide gestehen – beide bekommen fünf Jahre.
Beide Bankräuber haben in ihrer Situation klug gehandelt und deshalb nur das drittbeste aller möglichen Ergebnisse erzielt. (Null und ein Jahr Haft wären besser gewesen, allein die zehnjährige Haftstrafe ein noch schlechterer Deal.) Ein Paradox?
Ein besseres Ergebnis für beide hätten die Ganoven nur erzielen können, wenn sie beide geleugnet hätten. Ein äußerst risikoreiches Unterfangen, weil keiner von ihnen sicher sein konnte, ob der andere nicht doch gesteht und dem anderen damit eine zehnjährige Freiheitsstrafe aufbrummt. »Man könnte also sagen, dass sie zu Opfern ihrer eigenen Klugheit werden«, schließt Philosoph Bayertz aus der Geschichte, die auch als »Gefangenendilemma« bekannt ist. Denn beide wären besser weggekommen, wenn sie nicht klug gehandelt, sondern sich an die »Regeln der Ganovenehre gehalten hätten, die es verbietet zu ›singen‹«.
»Ganovenehre ist keine Tugend im Sinne eines guten und richtigen Lebens, und außerdem ist der Fall reichlich konstruiert!«, schimpft ihr Schweinehund? Recht hat er. Deshalb noch ein Beispiel, um letzte Zweifel zu
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