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Gut zu wissen (German Edition)

Gut zu wissen (German Edition)

Titel: Gut zu wissen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.W. Marchwell
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lächerlich, weil er sich beim Text nicht sicher war, und außerdem war William schon zehn. Die kalte, prickelnde Hitze der Verlegenheit brachte ihn am ganzen Körper zum schwitzen. Wie schaffte ein Sänger das jede Nacht, vor Hunderten von Menschen? Sehr zu seiner Erleichterung bat William nicht um eine Zugabe und Jerry, der wahrscheinlich seine Verlegenheit spürte, sah ihn die ganze Zeit nicht ein einziges Mal an. Als Williams Atmung tiefer wurde und sein Körper in die dicke Matratze sank, erhob Jerry sich vom Bett und deutete auf die Tür.
    „Sie haben eine schöne Stimme.“
    David antwortete nicht, bis sie wieder unten waren, beide ein Bier in der Hand hielten und außer Hörweite auf der Veranda standen. Aber selbst dann brachte er es nicht über sich, das Kompliment zu kommentieren. „Er ist so liebenswert. Ich kann mir nicht vorstellen, wie er mit alldem zurechtkommt.“
    Jerry setzte sich in einen der Weidenkorbstühle und seufzte. „Ich habe ihn schon zur Psychologin gebracht und werde das weiterhin tun, solange er hier ist. Sie und Sara, die Sozialarbeiterin, machen einen sehr zuversichtlichen Eindruck.“
    „Dann werden Sie ihn nicht auf Dauer hierbehalten?“
    Jerrys Bierflasche löste sich von seinen Lippen und er drehte schnell den Kopf, um David anzusehen.
    „Entschuldigung – das geht mich nichts an.“
    „Ach was, warum sollten Sie anders sein, als alle anderen?“
    David zuckte unter der indirekten Beleidigung zusammen und stand auf. „Es tut mir sehr leid. Ich sollte wohl besser gehen.“
    „Nein, mir tut es leid, wirklich. Ich schätze, Sie haben nur einen Nerv getroffen.“
    David setzte sich wieder auf den Sessel, hob die Bierflasche und leerte sie mit einem Schluck fast bis zur Hälfte. „Auf die Gefahr hin, noch mehr Beleidigungen zu riskieren“, begann David vorsichtig, „Sie scheinen ihn bereits sehr zu mögen.“
    „Er ist zehn“, brummte Jerry. „Wie könnte ich ihn nicht mögen?“
    „Ich glaube ganz bestimmt, dass es in den Gehirnen unserer Spezies verankert ist, alle Kinder beschützen zu wollen.“ David zögerte und fügte dann hinzu: „Aber ich glaube, in diesem Fall ist das nicht alles.“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Ich meine, wollen Sie ihn einfach nur beschützen, bis er wieder geht oder ist da vielleicht doch mehr, weil er der einzige Verwandte ist, den Sie noch haben oder –“
    „Sind Sie jetzt auch noch Psychiater?“
    „Nein“, hob David an, aber dann hielt er inne und begann noch einmal. „Ich habe mich vorhin ins Badezimmer zurückgezogen, weil ich sehen konnte, wie glücklich William hier ist, wie sehr er versucht, ihnen zu gefallen, dass er seinen Eltern scheißegal –“ David hielt wieder inne. „Es tut mir leid. Schon wieder .“ Das letzte Wort knurrte David. „Am besten höre ich einfach auf zu reden. Ich bin sicher, Sie tun, was immer Sie für William für das Beste halten.“
    Jerry trank sein Bier aus und stand auf. David war sich sicher, dass er ihn hinausbegleiten wollte. „Noch eins?“
    „Nein danke. Ich muss noch fahren.“
    „Tja, ich nicht. Ich bin gleich zurück.“ Jerry ging, öffnete die Verandatür, aber schloss sie nicht wieder. Als er zurückkam, versuchte David das Thema zu wechseln.
    „Das ist ein wunderschönes Stück Land. Wollten Sie schon immer auf einer Ranch leben?“
    Jerry zuckte unverbindlich mit den Schultern. „Nein, nicht unbedingt. Es schien einfach die beste Möglichkeit zu sein, zu tun, was ich tun wollte und gleichzeitig die Stadt zu meiden.“
    David nickte verständnisvoll und suchte nach weiterem Gesprächsstoff. Während er fieberhaft überlegte, was er noch sagen könnte, hörte er Jerrys Sessel quietschen.
    „Hören Sie, es tut mir leid, dass Sie mich nicht mögen.“ Jerrys Stimme war fast zu leise, um sie zu hören.
    „Und mir tut es leid, dass –“ David öffnete den Mund, aber Jerry hob eine Hand, damit er schwieg. „Und mir tut es leid, dass Sie denken, was alle anderen denken, aber ich bin fast 50 Jahre alt. Was habe ich zu bieten, was der Junge gerade jetzt so dringend braucht?“
    David bewegte sich in seinem Stuhl, so dass er Jerry direkt in die Augen sehen konnte. „Das kann ich Ihnen sagen. Nach ein paar weiteren Wochen, in denen William Sie Onkel Jerry nennt, nach ein paar weiteren Wochen, in denen Sie den Ausdruck auf seinem Gesicht sehen, wenn er auf dem Pferd reitet, nach einem weiteren Tag, an dem Sie seine kleine Hand gehalten und gefühlt haben, wie er Sie mit sich

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