Gute Beziehungen
Die Art von Empathie und Akzeptanz, die genaues Zuhören verlangt, führt Menschen näher zusammen, hebt Kommunikationssperren auf. Nur im Zusammenleben mit anderen können wir unsere menschliche Natur wirklich entfalten. Deshalb suchen wir bei Schicksalsschlägen oder Tragödien wie etwa einem school shooting die Nähe anderer Menschen. Von allen Fernsehbildern eines solchen Ereignisses ist mir das einer kleinen Gruppe von Kindern, die sich unter dem Eindruck von Schock und Entsetzen ganz eng zusammendrängten, am nachdrücklichsten im Gedächtnis geblieben. Sie brauchten einander. Wir brauchen einander. Wir brauchen Mitgefühl und Zuwendung. Wir brauchen Freunde, die uns verstehen. Wir brauchen Kollegen, die uns zuhören, wenn das Leben schwierig wird, wir brauchen Ehepartner und andere Familienangehörige, die uns akzeptieren, wie wir sind, die uns nicht erzählen, wie wir bessere Menschen werden können oder was wir tun müssen, um dem Bild zu gleichen, das sie von uns haben.
Haben Sie Zeit, Energie und den Wunsch, sich anderen zuzuwenden, die in Schwierigkeiten stecken – vor allem, wenn es sich um Menschen handelt, die Ihnen am Herzen liegen –, dann müssen Sie einfach zuhören. Nur zuhören.
Durch Zuhören können Sie anderen Menschen viel von ihren Kümmernissen und Belastungen nehmen, was den Anteil der problemfreien Zeit in Ihrer Beziehung deutlich erhöht. Wenn Sie in Fällen, in denen Sie ärgerlich sind, von der Du-Sprache auf die Ich-Sprache umschalten, erreichen Sie damit zweierlei: Erstens können Sie negative Gefühle zum Ausdruck bringen, ohne die Situation negativ zu beeinflussen. Zweitens werden die Menschen weit eher bereit sein, Verhaltensweisen zu ändern, die einProblem für Sie sind. Tatsächlich haben uns viele hundert Absolventen unserer Trainingsprogramme verblüfft berichtet, wie bereitwillig Menschen störende Verhaltensweisen ablegten, als sie sich mit Ich-Botschaften an sie wandten.
Wie das »Aktive Zuhören« stärkt die »Besitz-Sprache« unsere Beziehungen. Sie signalisiert Achtung und Ehrlichkeit, zwei Werte, die in unserer Gesellschaft hoch im Kurs stehen. Im Lauf der Zeit werden die Kommunikationsprozesse des »Aktiven Zuhörens« und der »Ich-Sprache« die meisten, wenn nicht alle Beziehungsschwierigkeiten beseitigen, die durch die zwölf Kommunikationssperren hervorgerufen worden sind.
Was bleibt, sind Bedürfniskonflikte – die Probleme, die in allen Beziehungen auftreten, wenn einer von uns durch Befriedigung seiner Bedürfnisse den anderen daran hindert, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen. Im nächsten Kapitel werde ich erklären, wie Sie in diesen Situationen gewinnen können, ohne dass der andere verliert.
9. KAPITEL
Konfliktlösungen ohne Verlierer
Gute Kommunikation führt unter anderem zu der Entdeckung, dass Konflikte, egal wie offen und ehrlich die Beziehung ist, unvermeidlich sind. Ich sage unseren Teilnehmern: »Ihr könnt noch so liebevoll, fürsorglich bemüht sein, in einer noch so wunderbaren Beziehung leben, ihr werdet trotzdem Konflikte haben.« Viele Menschen trifft das hart. Verständlich, wenn man bedenkt, wie lang, blutig und unrühmlich die Geschichte des Konflikts ist. Im Lexikon heißt es: Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen, mit kriegerischen Mitteln ausgetragene Auseinandersetzung, Zwie spalt, Widerstreit aufgrund innerer Probleme. Die Aufzählung geht noch weiter, und der Rest ist genauso unerfreulich.
Schauen Sie sich die Abendnachrichten an, wenn Sie die Lexikondefinitionen mit Leben erfüllen möchten. Da finden Sie reichlich kriegerische Auseinandersetzungen, Zwiespalt, Widerstreit. In Afrika, im Nahen und Mittleren Osten. Im Parlament. In Fernsehserien.
In Fernsehserien ?
O ja. Es gibt eine Menge Konflikte auf dem Bildschirm. Muss das sein? Nun, in den Daily Soaps ganz bestimmt. Würden beispielsweise die Akteure in Gute Zeiten, Schlechte Zeiten Ich-Botschaften verwenden, einander urteilsfrei zuhören und sich an die in diesem Kapitel beschriebenen Verfahren halten, wären ihre Konflikte bald gelöst und die Serie zu Ende. Denn die Zuschauer lieben dramatische Verwicklungen in Fernsehserien – Streit, Hass, Verrat und Konflikt. Doch als Vorbilder für intakte Beziehungen sind sie denkbar ungeeignet.
Es gibt viele gute Beziehungsmodelle, doch die kommen gewöhnlich nicht ins Fernsehen. Ihre Merkmale sind Ehrlichkeit, Offenheit, Zuwendung, Mitgefühl und Demokratie.
Nur zögernd verwende ich das Wort Demokratie.
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