gute freunde - boese freunde
nicht um eine veränderte Kommunikation im Netz-Zeitalter oder um andere Umgangsformen von Jugendlichen. Nein, es geht um ein echtes Problem, das leider kaum mit Zahlen belegt werden kann. Es gibt einige wenige Studien, darunter eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2011. Demnach waren 36 Prozent der befragten Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren in Nordrhein-Westfalen bereits einmal Opfer einer Cyber-Mobbing-Attacke. Auch eine einfache Nachfrage meinerseits in der Zielgruppe scheint dies zu bestätigen. Viele der Befragten haben schon blöde Sachen erlebt im Internet oder per Handy. Zwar kann nicht jeder verbale Ausrutscher oder jede unbedachte Attacke als Mobbing |98| bezeichnet werden (dazu später mehr), doch das Problem existiert in der Wahrnehmung der Jugendlichen und ist somit real, unabhängig von dem, was und ob Statistiken etwas dazu sagen.
Frage ich meine Schülerinnen und Schüler, ist es ein Leichtes, Beispiele zu finden (alle Namen sind geändert, die Fälle verallgemeinert). Hier ein paar weitere aus der Abteilung »deutlich«.
Ben (15) liebt SchülerVZ. Es ist für ihn ein Ort, an dem er sich so richtig austoben kann. Er ist dort nicht nur einmal angemeldet, sondern nennt gleich fünf Profile sein eigen. Was auf den ersten Blick nach einer schweren Persönlichkeitsstörung aussieht, ist für Ben eine konsequent-logische Erweiterung der digitalen Möglichkeiten. Profil Nr. 1 ist das offizielle Profil unter seinem Namen, mit den anderen hat er Spaß, dort »lässt er die Sau raus«. Dort veröffentlicht er anonym Fotos von anderen, hinterlässt Nachrichten der üblen Art und fehlt in keiner blöden Gruppe. Mal ist er ein Skinhead, der Migranten hasst, ein anderes Mal ein Mädchen auf der Suche nach feierlustigen Jungs. »No limits« in Sachen Identitätsaneignung. Wäre es harmlos, würde niemand darunter leiden, dann könnte man es »Sich-Ausprobieren in verschiedenen Rollen« nennen. Aber das ist es leider nicht.
Carolin (16) ist ein hübsches Mädchen. Sie lernte über ein Online-Spiel einen etwa gleichaltrigen Jungen kennen. Er pflegte die Tiere ihrer digitalen Farm und war auch sonst sehr nett. Nach einem halben Jahr fühlte sie sich verpflichtet, seinem Drängen nach einem realen Treffen nachzugeben. Es lief miserabel und endete in einer Katastrophe, nachdem Carolin ihren Verehrer laut ausgelacht hatte. Der Junge, tief gekränkt, rächte sich daraufhin auf seine Weise: Er |99| bombardierte sie mit Hunderten von E-Mails , zig SMS und ungezählten Anrufen, veröffentlichte private Daten von Carolin in SchülerVZ und schreckte auch vor öffentlichen Verleumdungen, Beleidigungen und Drohungen nicht zurück. Und das monatelang. »Stalking« nennt das nicht nur die Polizei, die Politik erließ dazu inzwischen einen eigenen Paragrafen im Strafgesetzbuch.
Denise (13) und ihre Freundinnen hassen die Neue in der Klasse. Komische Klamotten, ein osteuropäischer Dialekt und dann noch brav und strebsam mit guten Noten. Das ist zu viel für Denise. Sie gründet eine Gruppe im SchülerVZ: »Hier ist nicht Kirgisien!«, in der sie über die Neue kräftig ablästern. Dabei steigern sich die Freundinnen in einen richtigen Rausch hinein und übertrumpfen sich mit immer neuen – erfundenen - Details aus dem Leben ihrer Mitschülerin. Fachleute würden hier von Gruppenprozessen und »Peer-Group«-Erlebnissen sprechen – für die neue Mitschülerin war es ein Albtraum.
Diese drei Fälle kann man sofort und ohne Umschweife als Mobbing bezeichnen – Cyber-Mobbing nur, weil Handy und Internet beteiligt waren. Zur Begriffserklärung: Mobbing …
… zielt darauf ab, einen anderen absichtlich zu erniedrigen, zu demütigen, zu schikanieren. Es muss Absicht dahinterstecken und kein Zufall oder mangelndes Taktgefühl. Die Frage nach der großen Liebe, die seit Kurzem mit einer anderen geht, mag taktlos sein, ist aber noch kein Mobbing. Deshalb ist Mobbing auch selten eine Auseinandersetzung in einer Sachfrage, diese wird nur zum Anlass genommen, den anderen fertig zu machen.
… beinhaltet jede Form gewalttätigen Handelns: nonverbal, |100| verbal, Sachbeschädigung, Körperverletzung. Der Klassiker, der ausgekippte Schulrucksack auf dem Nachhauseweg, gehört ebenso dazu wie jede Form von Beleidigung, Verleumdung und natürlich das Verprügeln, Abzocken und andere Formen körperlicher Gewalt.
… richtet sich kontinuierlich gegen eine bestimmte Person. Das Opfer ist
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