Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
Gestell ab und
reibt sich die Augen. Sie setzt die Brille wieder auf, und ich bin darauf gefasst, in ein müdes Gesicht zu blicken. Sie hat den ganzen Tag gearbeitet und wird jetzt noch härter arbeiten, um die Abgabefrist vielleicht doch zu schaffen. Ich rutsche auf meinem Stuhl herum, warte auf ihre Antwort.
Aber sie sieht überhaupt nicht müde aus. Sie sitzt kerzengerade da und nickt trotzig. »Ich schreib’s auf. Geben Sie mir paar Tage Zeit, dann erzähl ich Ihnen genau, was mit Constantine war.«
Ich arbeite fünfzehn Stunden am Stück an Louvenias Geschichte. Am Donnerstagabend gehe ich zum League-Treffen. Ich giere danach, aus dem Haus zu kommen, kann nicht mehr stillsitzen und immer nur an die Deadline denken. Der Weihnachtsbaum riecht allmählich zu intensiv, der Duft der mit Gewürznelken gespickten Orangen schlägt mir auf den Magen. Mutter friert ständig, und im Haus meiner Eltern fühle ich mich, als steckte ich in einem Fass mit heißer Butter.
Auf der Treppe des League-Hauses bleibe ich noch mal stehen, ziehe die reine Winterluft tief in meine Lunge. Es ist jämmerlich, aber ich bin froh, dass ich den Newsletter noch habe. Einmal die Woche fühle ich mich wenigstens noch als Teil der Welt. Und wer weiß, vielleicht ist es ja heute anders, wo doch jetzt die Feiertage kommen.
Doch als ich den Raum betrete, kehren sich mir Rücken zu. Meine Isolation ist greifbar, so als hätten sich um mich herum Betonwände gebildet. Hilly grinst mich höhnisch an, dreht sich dann demonstrativ weg, um mit jemand anderem zu sprechen. Ich gehe weiter in den Raum hinein und entdecke Elizabeth. Sie lächelt, und ich winke. Ich möchte mit ihr über Mutter reden, möchte ihr erzählen, dass ich mir Sorgen mache, doch ehe ich ihr zu nahe komme, wendet sich Elizabeth mit gesenktem Kopf ab und läuft davon. Ich gehe mich hinsetzen. Dass sie sich hier so verhält, ist neu.
Statt auf meinen üblichen Platz vorn setze ich mich in die letzte Reihe, wütend, weil Elizabeth mich nicht mal begrüßt. Neben mir sitzt Rachel Cole Brant. Rachel kommt kaum je zu den Treffen, weil sie drei Kinder hat und ihren Master in Englisch am Millsaps College macht. Ich wollte, wir wären besser befreundet, aber ich weiß, sie hat zu viel zu tun. Auf meiner anderen Seite sitzt die verflixte Leslie Fullerbean mit ihrer Haarspraywolke. Sie muss jedes Mal, wenn sie sich eine Zigarette anzündet, ihr Leben riskieren. Wenn ich auf ihren Kopf drücken würde, käme dann wohl ein Spraystoß aus ihrem Mund?
Fast alle Frauen im Raum haben die Fußgelenke gekreuzt und eine brennende Zigarette in der Hand. Der Qualm sammelt sich unter der Decke. Ich habe seit zwei Monaten nicht mehr geraucht, und von dem Geruch wird mir ganz schlecht. Hilly tritt ans Rednerpult und verkündet die anstehenden Spendenaktionen (Mäntelspende, Konservendosenspende, Bücherspende und die gute, alte Geldspende), und dann kommen wir zu Hillys Lieblingsteil einer jeden Sitzung, der Ermahnungsliste. Hier kann sie die Namen all derer nennen, die ihre Beiträge nicht pünktlich zahlen, zu spät zu Versammlungen kommen oder ihre philanthropischen Pflichten nicht erfüllen. Ich bin derzeit immer wegen irgendetwas auf der Ermahnungsliste.
Hilly trägt ein rotwollenes Trapezkleid mit einem Cape à la Sherlock Holmes darüber, obwohl es hier drin so heiß ist wie in einem Backofen. Ab und zu schlägt sie das Cape zurück, als wäre es ihr im Weg, aber diese Geste scheint ihr viel zu viel Vergnügen zu bereiten, als dass es ein echtes Problem sein könnte. Ihre Helferin Mary Nell steht neben ihr und reicht ihr ihre Notizen an. Mary Nell sieht aus wie ein blondes Schoßhündchen, ein Pekinese mit winzigen Pfötchen und einer Quetschnase.
»Und jetzt kommen wir zu einem sehr interessanten Diskussionspunkt.
« Hilly nimmt die Notizen von ihrem Schoßhündchen entgegen und überfliegt sie.
»Das Komitee hat beschlossen, dass unser Newsletter modernisiert werden soll.«
Ich richte mich auf. Wären Veränderungen des Newsletters nicht mein Ressort?
»Zunächst einmal wird der Newsletter künftig monatlich statt wöchentlich erscheinen. Die Kosten sind einfach zu hoch, jetzt, wo das Porto auf sechs Cent aufschlägt. Und wir ergänzen ihn von nun an um eine Modekolumne, in der die schicksten Kombinationen unserer Mitglieder vorgestellt werden, sowie um eine Make-up-Kolumne mit den jeweils neuesten Trends. Ach ja, und die Ermahnungsliste. Die steht in Zukunft auch drin.« Sie nickt,
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