Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
New York Times, Harper’s Magazine und den New Yorker adressiert habe, hat mich wieder dieses Gefühl überschwemmt, das ich schon auf dem College hatte: Wie sehr ich mir wünschte, dort zu leben! Nicht in Dallas, nicht in Memphis – in New York, wo Schriftsteller zu leben haben. Aber ich habe keinerlei Antwort bekommen. Und wenn ich nie von hier wegkomme? Wenn ich hoffnungslos festsitze? Hier. Für immer.
Ich lege mich hin und sehe zu, wie die ersten Sonnenstrahlen durchs Fenster kommen. Dieser Schrei, geht mir auf, das war ich.
Ich stehe in Brent’s Drug Store und suche Mutters Luster-Cream-Shampoo und ein Stück Vinolia-Seife, während Mr
Roberts mit ihrem Rezept beschäftigt ist. Mutter sagt, sie brauche die Medikamente nicht mehr, das einzig Wirksame gegen Krebs sei eine Tochter, die sich die Haare nicht schneiden lassen will und selbst am Sonntag viel zu kurze Kleider trägt, wer wisse denn schon, welch unmögliche Dinge ich noch mit mir veranstalten würde, wenn sie nicht mehr da wäre.
Ich bin einfach nur froh, dass es Mutter besser geht. Wenn es meine Fünfzehn-Sekunden-Verlobung mit Stuart war, die ihren Lebenswillen wieder angekurbelt hat, dann hat die Tatsache, dass ich wieder single bin, ihre Kräfte noch weiter genährt. Sie war sichtlich enttäuscht über unsere Trennung, hat es dann aber prächtig verwunden. Mutter ging sogar so weit, mich mit einem entfernten Cousin verkuppeln zu wollen, der fünfunddreißig, gutaussehend und eindeutig homosexuell ist. »Mutter«, sagte ich, als er nach dem Abendessen ging – wie konnte sie es nicht merken? »Er ist …« Aber ich hielt inne und tätschelte einfach nur ihre Hand. »Er hat gesagt, ich sei nicht sein Typ.«
Ich habe es eilig, aus dem Drugstore zu kommen, bevor irgendjemand auftaucht, den ich kenne. Ich sollte meine Isolation ja inzwischen gewöhnt sein, bin’s aber nicht. Ich vermisse meine Freundinnen. Nicht Hilly, aber manchmal Elizabeth, die alte, nette Elizabeth von der Highschool. Es ist noch schlimmer geworden, seit wir das Buch aus der Hand gegeben haben und ich nicht mal mehr zu Aibileen fahren kann. Wir haben befunden, dass es zu riskant wäre. Bei ihr zu Hause zu sein und mit ihr zu reden, fehlt mir am allermeisten.
Alle paar Tage telefoniere ich mit Aibileen, aber das ist nicht dasselbe. Bitte, denke ich, wenn sie mich aufs Laufende bringt, was sich in der Stadt tut, bitte, Gott, lass etwas Gutes dabei herauskommen. Aber noch immer nichts. Nur Frauen, die klatschen und tratschen und das Buch behandeln wie ein Spiel, bei dem es zu erraten gilt, wer wer ist. Und Hilly, die die Falschen beschuldigt. Ich war es, die den farbigen Dienstmädchen versichert
hat, man würde uns nicht auf die Spur kommen, und ich allein bin für alles verantwortlich.
Die Ladenglocke bimmelt. Ich schaue rüber, und herein spazieren Elizabeth und Lou Anne Templeton. Ich verdrücke mich nach hinten zu den Schönheitscremes, in der Hoffnung, dass sie mich nicht sehen, spähe dann aber über die Regale. Sie steuern auf die Imbisstheke zu, die Köpfe zusammengesteckt wie Schulmädchen. Lou Anne trägt trotz der Sommerhitze ihr übliches langärmliges Kleid und ihr übliches Dauerlächeln. Ich frage mich, ob sie weiß, dass sie in dem Buch vorkommt.
Elizabeth hat ihr Haar vorn toupiert und hinten mit einem Kopftuch bedeckt, dem gelben, das ich ihr zum dreiundzwanzigsten Geburtstag geschenkt habe. Ich stehe eine Minute da und gebe dem Gefühl Raum, wie bizarr das alles ist – sie zu beobachten und zu wissen, was ich weiß. Sie ist jetzt bei Kapitel zehn, habe ich gestern Abend von Aibileen erfahren, und hat immer noch nicht die leiseste Ahnung, dass sie da Dinge über sich und ihre Freundinnen liest.
»Skeeter?«, ruft Mr Roberts von der Treppe vorn bei der Kasse. »Die Medizin für Ihre Mama ist gerichtet.«
Um nach vorn zu gehen, muss ich an der Imbisstheke vorbei. Elizabeth und Lou Anne kehren mir stur den Rücken zu, aber im Spiegel sehe ich, wie mir ihre Augen folgen. Sofort senken sie den Blick.
Ich bezahle die Medizin und Mutters Tuben und Töpfchen und schlängle mich wieder nach hinten. Als ich gerade durch den Gang am anderen Ende des Geschäfts entfliehen will, tritt Lou Anne Templeton hinter dem Haarbürstenregal hervor.
»Skeeter«, sagt sie. »Hast du mal eine Minute?«
Ich bleibe verdutzt stehen. Seit über acht Monaten hat niemand auch nur eine Sekunde von mir gewollt, geschweige denn eine Minute. »Äh, klar«, antworte ich.
Lou Anne
Weitere Kostenlose Bücher