Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
poliert, dass man sie als Spiegel nehmen könnt, um sich in den Zähnen zu stochern. Der Weihnachtsbaum steht schon neben dem Altar, mit jeder Menge Lametta und einem goldenen Stern auf der Spitze. Drei Fenster von der Kirche haben Buntglasbilder – die Geburt vom Jesuskind, Lazarus, wie er von den Toten aufersteht, und Jesus, wie er den eingebildeten Pharisäern Bescheid sagt. Die anderen sieben haben normales, durchsichtiges Glas. Für die sind wir noch am Sammeln.
»Was macht Bennys Asthma?«, fragt Aibileen.
»Gestern hat er einen kleinen Anfall gehabt. Leroy bringt ihn und die andren Kinder nachher. Hoffentlich überlebt er das Zitronenzeug.«
»Leroy.« Aibileen schüttelt den Kopf und lacht. »Sag ihm, er soll sich lieber anständig benehmen. Sonst setz ich ihn auf meine Gebetsliste.«
»Ich wär dafür. Guter Gott, schnell das Essen verstecken!«
Die hochnäsige Bertrina Bessemer kommt auf uns zugewatschelt. Sie beugt sich über die Bank vor uns und lächelt, mit einem knallblauen Hut auf dem Kopf. Bertrina ist die, die Aibileen damals eine Idiotin genannt hat.
»Minny«, sagt Bertrina, »ich war ja so froh, wie ich von deinem neuen Job gehört hab.«
»Danke, Bertrina.«
»Und, Aibileen, danke, dass du mich auf deine Gebetsliste gesetzt hast. Meine Herzenge ist schon viel besser. Ich ruf dich am Wochenend an, dann reden wir mal wieder richtig.«
Aibileen lächelt und nickt. Bertrina watschelt zu ihrer Bank.
»Vielleicht solltest du bisschen wählerischer sein, für wen du Gebete sagst«, sag ich.
»Ach, ich bin ihr nimmer bös«, sagt Aibileen. »Und guck sie doch an, sie hat abgenommen.«
»Sie erzählt überall rum, sie hätt vierzig Pfund runter.«
»Gütiger.«
»Bleiben ja nur noch zweihundert.«
Aibileen versucht, nicht zu lachen, tut, wie wenn sie den Zitronengeruch wegwedeln würd.
»Also, warum sollt ich schon früher hier sein?«, frag ich. »Fehl ich dir so oder was?«
»Ach, ist nichts Besonderes. Geht nur um was, was jemand zu mir gesagt hat.«
»Was?«
Aibileen holt Luft, guckt sich um, ob jemand zuhört. Wir sind hier wie Königinnen. Die Leute drängen sich immer um uns.
»Du kennst doch Miss Skeeter?«, fragt sie.
»Hab ich dir doch neulich schon gesagt.«
Sie meint, jetzt leiser: »Und du weißt doch, ich hab ihr aus Versehen erzählt, dass Treelore solche Farbigensachen aufgeschrieben hat?«
»Weiß ich. Will sie dich dafür verklagen?«
»Nein, nein. Sie ist nett. Aber sie hat die Stirn gehabt, mich zu fragen, ob ich und andere Dienstmädchen, die ich kenn, auf Papier bringen wollen, wie’s ist, im Haus von Weißen zu arbeiten. Sie will ein Buch schreiben, sagt sie.«
»Da drüber?«
Aibileen nickt und zieht die Augenbrauen hoch. »Mm-hmm. «
»Pfff. Sag ihr, es ist ein einziges Festtagspicknick. Sag ihr, wir träumen das ganze Wochenend davon, dass wir endlich wieder in ihre Häuser zurückdürfen und ihr Silber polieren«, erwider ich.
»Ich hab ihr gesagt, sie soll’s doch den normalen Geschichtsbüchern überlassen, da drüber zu erzählen. Die Weißen erklären doch von jeher der Welt, was die Farbigen denken und fühlen.«
»Das stimmt. Sag ihr das.«
»Hab ich ja. Ich hab ihr gesagt, sie ist verrückt«, meint Aibileen.
»Ich hab sie gefragt, was ist, wenn wir die Wahrheit sagen? Dass wir zu viel Angst haben, den Mindestlohn zu verlangen? Dass für keine von uns die Sozialversicherung bezahlt wird? Wie sich’s anfühlt, wenn man beschuldigt wird, man würd …« Aibileen schüttelt den Kopf. Ich bin froh, dass sie’s nicht ausspricht.
»Wie lieb wir die Kinder haben, wenn sie klein sind . . .«, sagt sie, und ihre Oberlippe zittert bisschen. »Und dass sie dann genauso werden wie ihre Mamas.«
Ich schau runter und seh, dass Aibileen ihre schwarze Handtasche umklammert, wie wenn sie das Einzige wär, was ihr auf der Welt geblieben ist. Bei Aibileen ist es ja so, dass sie immer auf eine neue Arbeitsstelle geht, wenn die Kinder zu groß werden und nicht mehr farbenblind sind.
»Selbst wenn sie die ganzen Namen ändert, von den Dienstmädchen und von den weißen Ladys«, schnieft sie.
»Sie ist verrückt, wenn sie denkt, wir würden so was Gefährliches machen. Für sie.«
»Wir wollen ja nicht die ganzen schlimmen Sachen ans Licht bringen.« Aibileen wischt sich die Nase mit dem Taschentuch. »Den Leuten die Wahrheit sagen.«
»Nein, wollen wir nicht«, sag ich, aber dann stutz ich. Es ist irgendwas an dem Wort Wahrheit. Ich versuch doch, den
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