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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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Sekretärinnen kamen abermals an ihnen vorüber. Er grüßte sie in devotem Tonfall, der weniger zu ihm passte als der übliche stichelnde Patronatsstil. »Quarrige Gänse«, flüsterte er Sascha zu und zog sie mit sich an die Bar.
    Wie hatte sie sich in ihrer Einfalt zu der trügerischen Hoffnung verleiten lassen können – jener Hoffnung, die sie immer wieder auch bei ihren Verhöropfern beobachten konnte, dass in Wahrheit alles in Ordnung sei? Obwohl ihnen doch längst klar sein musste, dass keine Aussicht mehr bestand, der Strafe zu entgehen, tastete ihre armselige Seele noch nach einem Hinweis auf Erlösung. Warum sollten ausgerechnet sie erlöst werden? Vielleicht, weil jeder Mensch glaubte, er sei einzigartig und besonders und seine Lebensgeschichte mit keiner anderen Geschichte zu vergleichen. Die meisten Menschen, ob sie nun schuldig waren oder nicht, hingen der Illusion an, man betrachte sie als individuelle Fälle. Gewiss wusste man dort oben, dass sie noch Pläne hatten, Liebe verspürten, ja dass sie vor allem noch sehr nützlich sein könnten. Keiner von ihnen, nicht einmal Brodski, verstand, wie bedeutungslos er war. Das Ausmaß seiner Schuld oder der Umfang seines Geständnisses änderten überhaupt nichts, da sein Gesicht sich bereits in der Menge aufgelöst hatte.
    Der Saal wurde verdunkelt und ein Scheinwerfer auf die Bühne gerichtet. Maxim Podolski stand dort mit hochrotem, leicht geschminktem Gesicht, auf dem Kopf eine spärliche schwarze Perücke, in einem zu engen, mit einem Kissen gepolsterten Anzug.
    Er schwankte wie ein Betrunkener. »Werte Genossen, guten Abend. Als Leiter der Abteilung 2 muss ich gestehen, dass es in meinen Augen nichts Abscheulicheres gibt als Bücher und Kunst. Alle Welt beschäftigt sich mit Schreiben, Malen und allen möglichen hochgeistigen Dingen, strebt nach Größe, träumt von Puschkin und Lermontow, und auf meinem Schreibtisch häuft sich viel Arbeit an. Meine Freunde, wir müssen uns an die eigene Brust schlagen!«, rief er. »Die Graphomanie ist die schlimmste Krankheit des russischen Volkes! Ein Bleistift und ein Blatt sind leicht zu beschaffen? Gewiss. Ein Schriftsteller zu sein ist leicht? Jawohl. Und ein Dichter? Nichts leichter als das. Da schreibt ein Mensch: ›Moskau ist nun kalt / Kiew – Dunkelheit / und Leningrad? Brrrr …‹ Und beklagt sich sogleich, unduldsame Feinde planten, ihn zu liquidieren, und verlangt Geld und eine Bleibe für den ganzen Sommer.«
    Zwei Frauen und zwei Männer in Häftlingskleidung, mit Ketten aneinandergefesselt, krochen zur Mitte der Bühne.
    »Angeklagte«, rief Stjopa-Podolski, »seid auch ihr Dichter?«
    »Bürger Ermittlungsrichter, schämen Sie sich nicht zu fragen?«, rief ihm einer der Häftlinge zu. »Sehen Sie denn nicht, dass hier zu Ihren Füßen die große Dichterin Jekaterina Michailowna Ulitzkaja kraucht? Sie möchte Ihnen eines ihrer Meisterwerke vortragen: ›Sterne in den Fenstern des NKWD‹.«
    »Ein konterrevolutionäres Gedicht allerersten Ranges! …«, schrie Stjopa-Podolski.
    »Das genaue Gegenteil davon, haben Sie es gelesen?«
    »Sicherlich, ein Gedicht von Boris Lapin.«
    »Schämen Sie sich«, schrie die Frau. »Lapin hat ›Sterne in den Fenstern der Tscheka‹ geschrieben, das ist ein vollkommen anderes Gedicht! Und Sie wagen es, als der für literarische Angelegenheiten zuständige Abteilungsleiter aufzutreten?«
    Plötzlich fiel Sascha ein, dass sie Resnikow noch nicht gesehen hatte. »Stjopa«, sie drehte sich in der Dunkelheit zu ihm.
    Er nahm ihren Arm und zog sie hinter sich her, jetzt war klar, dass tatsächlich etwas Schreckliches passiert sein musste. Sie stießen eine Tür auf, die ebenso weiß war wie die Wand, und schlüpften aus dem Saal. Sie erinnerte sich an einen Satz, den er ihr einmal gesagt hatte: »Jeder gewitzte Ermittler sollte irgendeine Kerkoporta haben.« Schnell schritten sie durch einen engen und gewundenen Flur. Die Stimmen der Darsteller waren jetzt laut und klar, und sie verstand, dass sie sich hinter der Bühne befanden.
    »Wir werden keine Gelegenheit mehr haben, ungehindert zu sprechen«, flüsterte Stjopa. »Vielleicht werde ich schon verfolgt. In sieben Minuten wird die erste Posse beendet sein, dann werden die Lichter angehen, und wir stehen wieder an genau derselben Stelle im Saal.«
    »Resnikow«, stieß sie hervor.
    »Er und kein anderer«, sagte er, das Zucken eines bitteren Lächelns zog über sein Gesicht.
    Von der Bühne war

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