Gute Leute: Roman (German Edition)
nicht als den geeigneten Mann für diese Aufgabe, da sein Verständnis von militärischen Belangen höchst dürftig sei.
Daraufhin wurde ihm erklärt, er könne selbstverständlich Rat bei den Fachleuten der Wehrmacht einholen, aber die Verhandlungen selbst wolle das Auswärtige Amt durch seine eigenen Mitarbeiter führen lassen. Dem Vernehmen nach habe er sich ja in seiner ganzen Laufbahn als Meister des Verhandelns erwiesen. Thomas erwiderte, eine solche Aktion verlange gewiss ein Ineinandergreifen verschiedener Arme – des Auswärtigen Amtes, der Abwehr, des Heeres, vielleicht auch der Marine und der Luftwaffe. Er bekam zur Antwort, im Augenblick gebe es noch gar keinen Handlungsbedarf, lediglich Erörterungen mit dem Ziel, erste, eher symbolische Planungen vorzunehmen, die den Charakter der Parade und ihre wesentlichen Grundsätze festlegen sollten.
»Was für Grundsätze, welcher Charakter denn«, Thomas war drauf und dran, die Contenance zu verlieren. »Eine Parade marschiert doch einfach!«
Der Mann vom Auswärtigen Amt beeilte sich, ihn zu korrigieren: »Hier gilt es, ästhetische, historische, geographische und vielleicht auch noch andere Aspekte zu beachten, Sie sind doch schließlich der Werbefachmann, machen Sie sich Gedanken über Grundsätzliches, erfinden Sie irgendeinen Charakter. Und nebenbei bemerkt, es besteht kein Grund zur Eile, Sie haben alle Zeit der Welt.«
Der Vertreter der Abwehr, in grauer Uniform, unterstrich, niemand erwarte umgehende Resultate.
Wann immer sie sich in wohlwollendem Tonfall an ihn wandten, betonten, dass die Gespräche auf unterster Ebene geführt werden müssten und die Reichsregierung offiziell nichts davon wisse, wurde das Gefühl der Erniedrigung für Thomas schlimmer, hatte er das Gefühl, als schrumpfte er noch ein bisschen mehr. Wenn das so weiterging, würden sie schon bald zu einem leeren Stuhl sprechen.
»Sie werden eine Art Ein-Mann-Kapellmeister sein«, fügte der Mann von der Abwehr hinzu, und alle lachten. Auch Thomas nötigte sich ein Lächeln ab.
Der Vertreter des Auswärtigen Amtes flüsterte ihm zu: »Kapellmeister heißt bei denen der Kopf eines Spionagenetzes.«
Thomas fragte sich, ob auch die anderen im Raum mitbekommen hatten, dass er geschmunzelt hatte, obwohl er den Witz gar nicht hatte verstehen können. Reiß dich zusammen, schalt ihn eine Stimme in seinem Inneren, das ist kein Spiel, diese Leute sind zu allem fähig.
Der Vertreter der Abteilung »Fremde Heere Ost« bemerkte, die Tatsache, dass Thomas nicht mit der Wehrmacht vertraut und sein militärisches Wissen spärlich sei, stelle nachgerade einen Vorteil dar, da man so keine Sorge haben müsse, er könne irrtümlicherweise Informationen weitergeben, die dem militärischen Abwehrdienst der Gegenseite Informationen lieferten. »Im Grunde genommen«, lächelte er, »sind Sie der perfekte Kandidat: Sie haben sich den Ruf erworben, auf jedem Feld einen brillanten Schriftsatz zuwege zu bringen, der alle schwindelig, aber auch mit einem Gefühl der Befriedigung zurücklässt.«
»Bei allem Respekt, aber Sie tun dem Modell Unrecht«, protestierte Thomas, und ein Zittern durchlief seinen Körper, so dass er seine bebenden Hände gegen die Tischplatte pressen musste.
Der Mann vom Auswärtigen Amt frotzelte, das seien doch nur Späße unter Freunden. »Gemeint war, Herr Heiselberg, dass Sie ein Mann sind, der sich darauf spezialisiert hat, Dinge in einnehmender Weise zu präsentieren. Es versteht sich, dass hier alle voller Wertschätzung für Ihre Leistungen in der Vergangenheit sind.«
Thomas blieb dabei, die Aufgabe entspreche nicht seinen Fähigkeiten, und mit einiger Schärfe setzte er hinzu, sein gegenwärtiges Ziel sei es, das Modell des weißrussischen Menschen fertigzustellen.
Der Mann vom Auswärtigen Amt fuhr fort, als hätte er ihn gar nicht gehört: »Auch in Berlin ist man von der neuen Aufgabe sehr angetan, denn schon seit geraumer Zeit bringen Sie sich nicht mehr genügend ein, so dass man schon erwogen hat, Ihnen zu kündigen, doch jetzt fällt Ihnen eine goldene Gelegenheit zu, Ihre Fertigkeiten zu demonstrieren. Selbst Ihr ehemaliger Partner, Herr Dr. Weller, hat Sie wärmstens empfohlen.«
Thomas wusste, dass es jetzt an der Zeit wäre, dieses jämmerliche Angebot mit Nachdruck abzulehnen. Er könnte kündigen und nach Berlin zurückkehren, und in ein paar Jahren würde Lublin sich zu einer schemenhaften Erinnerung verflüchtigt haben. Doch sogleich blitzte in ihm
Weitere Kostenlose Bücher