Gute Leute: Roman (German Edition)
übernahm Frenzel die meisten seiner Ratschläge.
Frenzel rauchte Pfeife, seine Füße in gewichsten Stiefeln hatte er auf den Tisch gelegt. Er sah die Ablage durch und lauschte teilnahmslos, wie Thomas sich in Elogen erging auf die Parade und das Echo, das sie in der Welt auslösen würde: »Das ist genau die Art von Ideen, auf die man sich stürzen muss, solange nur wenige das Potential begreifen, das in ihnen liegt, doch wenn der Nebel sich lichtet und das deutsche Volk den Menschen zujubeln wird, die Deutschland zum Frieden anstatt zum Krieg gedrängt haben – dann wird der Beitrag dieser Parade unübersehbar sein.«
Frenzel zeigte sich nicht beeindruckt von dieser Rede. Thomas war überrascht, immerhin war er kein phantasieloser Tropf. Vielleicht gehörte er ja doch zu jenen, die freudig einem Waffengang mit der Sowjetunion entgegenblickten, oder er war zu beschäftigt, um sich für die Parade zu interessieren. Im März würden Tausende von Juden im Rahmen der »freiwilligen Umsiedlung« aus Lublin deportiert werden, und bis Mitte April war geplant, das Ghetto zu schließen und nur noch wenige Juden dort zu belassen. Es war eine der größten Aktionen, an deren Planung der Bezirk Lublin beteiligt war. Frenzel klagte in einem fort, alles hier sei fürchterlich kompliziert. In Frankreich zum Beispiel laufe die Behandlung der Juden sehr viel reibungsloser. Globocnik glaubte an den jungen Frenzel, hatte ihn bereits Himmler als einen seiner auserwählten Zöglinge vorgestellt.
»Hör zu, mein Freund«, Thomas ging zu Phase 2 über und bemühte sich um einen Tonfall aufrichtiger Sorge: »Ich habe eine wertvolle Information für dich. Die sowjetische Repräsentantin im Paradekomitee ist Jüdin.«
Frenzel nahm die Füße vom Tisch und bedachte Thomas mit stumpfem Blick: Das letzte, was er jetzt brauchen konnte, war eine neue Baustelle. Thomas blieb keine andere Wahl, als seinen jungen Freund ein wenig zu ängstigen. »Du verstehst sicher, dass dies unseren Feinden in die Hände spielen könnte. Du kennst die gewundenen Pfade, auf denen solche Gerüchte in Umlauf kommen.«
»Und du wiederum verstehst ja was von Kalamitäten«, brummte Frenzel, als versuchte er, hinter Thomas’ wahre Absichten zu kommen. »Ich hoffe, du hast aus deinen Kunststückchen in Warschau etwas gelernt. Das solltest du begreifen, und zwar ein für alle Mal: Hier werden solche Dinge nicht passieren.«
»Du hast recht«, sagte Thomas besänftigend. »Das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist, die Reihenfolge in der Hierarchie einzuhalten. Die Causa der Jüdin Weißberg ist dem Auswärtigen Amt offenbar entgangen, und mein Vorschlag lautet daher, die Kollegen hiervon in Kenntnis zu setzen, das ist alles. In der Vergangenheit, als die Kommunisten auf Tuchfühlung mit uns gehen wollten, haben sie diesen Juden Litwinow in ihrem Auswärtigen Amt gegen Molotow ausgetauscht. Und glaub mir, eine Ablösung dieser Jüdin würde dem Gesamtziel dienen. Leider handelt es sich bei der Dame um einen Backfisch, der eigentlich Seilspringen machen und sich nicht an Ereignissen von historischer Tragweite verheben sollte.«
»Das klingt, als gefiele dir diese Jüdin nicht«, knurrte Frenzel.
»Das ist keine persönliche Sache«, erwiderte Thomas brüsk. »Glaub mir, ich habe schon komplizierte Projekte geleitet, mit Leuten, die gewiefter waren als sie. Die Frage ist, in welchem Licht die ganze Affäre Deutschland erscheinen lassen wird.«
Frenzel widmete sich wieder seinen Papieren. »Vielleicht hast du ja doch deine Lektion gelernt, in Ordnung, tu wie du meinst, aber unternimm keinen weiteren Schritt, ohne mich zu informieren.«
Sehr schön, Thomas fasste Mut. Frenzel trat zwar nach außen wie ein akkurater und tatkräftiger Mann auf, verhielt sich in Wahrheit jedoch nicht selten kapriziös. »Gar keine Frage«, versicherte Thomas, »wir werden uns abstimmen, wie immer.«
»Sonst noch etwas?«, fragte Frenzel, als er sah, dass Thomas zögerte.
»Noch eine kleine Sache, eine Bagatelle … Ich habe nicht besonders viele Informationen über meine Partnerin in der Planungskommission erhalten, musste mich mit ein paar biographischen Angaben begnügen. Ich verstehe, dass die Parade nicht höchste Priorität genießt, dennoch kann es nicht angehen, den deutschen Repräsentanten derart im Dunkeln tappen zu lassen. Ich möchte, dass du meinen Antrag unterstützt, ein detailliertes Profil dieser Frau zu bekommen. Für die Botschaft in Moskau wird es ein
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