Gute Leute: Roman (German Edition)
mitzutragen?
Jetzt hörte er sie sagen: »Hierher komme ich immer staunend, hier lösen sich die Ungewissheiten auf, in diesem Wäldchen wird der Zugriff äußerer Mächte schwächer, hier habe ich begriffen, dass die Parade mein Schicksal ist.« Und nach kurzem Schweigen fügte sie leise hinzu: »Ich hoffe, auch das Ihrige.«
In ihren Worten lag ein Flehen, dessen Sinn er nicht gleich verstand, als würde sie ihn bitten, jetzt einen Treueid auf die Parade abzulegen.
»Gospođa Weißberg«, er hatte beschlossen, sie zu überraschen und sich auf Russisch an sie zu wenden, »die Meinungsverschiedenheiten zwischen uns müssen noch heute ausgeräumt werden!« Vielleicht hatte das Französisch eine Distanz zwischen ihnen geschaffen, aber jetzt war es Zeit, zur Wahrheit zu kommen. Sie schien nicht besonders überrascht. Vielleicht hatte sie in irgendeinem Dossier gelesen, dass er Russisch sprach.
»Ich werde jedes schlüssige Programm für die Parade unterstützen. Mehr noch – das Programm ist nicht einmal die Hauptsache. Wir beide haben dasselbe Ziel. Vielleicht sind wir die einzigen Menschen auf der Welt, die an dieses Ziel glauben. Mein nachdrücklicher Vorschlag wäre, dass wir uns ab dem morgigen Tag darum bemühen, die Zustimmung der beiden Auswärtigen Ämter für die Parade zu gewinnen. Als Datum für die deutsch-sowjetische Militärparade schlage ich den 1. Juli 1941 vor. Konveniert Ihnen dieses Datum?«
»Gospođin Heiselberg«, erwiderte sie und ihr Stimme klang distanziert und kalt, »Sie haben sich einen wirklich schönen Moskauer Akzent angeeignet. Aber ich muss Ihnen leider sagen, dass unsere Meinungsverschiedenheiten gravierender sind und allem Anschein nach elementare Unterschiede zwischen den Völkern berühren, die wir vertreten. Ich schlage daher vor, ein weiteres Treffen anzusetzen, um zu einer endgültigen Entscheidung zu gelangen.«
Die Dringlichkeit seiner Worte hatte sie ignoriert. Der Panzer, der sie umgab, schien undurchdringlich.
»Wir müssen unseren Vorgesetzten die Pläne für die Parade umgehend vorlegen!«, rief er.
»Besser, wir zeigen sie ihnen, wenn sie fertig sind.«
»Verstehen Sie doch, bis dahin ist es vielleicht zu spät!« Er verlor allmählich die Geduld.
»Warum reden Männer ständig vom Krieg? Darin ist keinerlei Inspiration«, sagte sie mit spöttischer, scheinbar ernüchterter Miene.
Da, schon wieder dieses Wort. Als hätte sie es mit einem Kunstwerk zu tun. »Gospođa Weißberg, wir werden sämtliche Entscheidungen noch heute treffen!«
»Wie sollen wir das schaffen?«, fragte sie erstaunt.
»Wie wir das schaffen sollen?«, gab er verbittert zurück. »So zum Beispiel: Ich akzeptiere Ihren Vorschlag für die Parade – so wie er ist.«
»Herr Heiselberg, ist das ein Spiel für Sie?«, fuhr sie auf, und in ihrem Zorn gruben sich tiefe Falten zwischen ihre Brauen. »Begreifen Sie nicht, dass Ihr wankelmütiges Verhalten unsere Aufgabe gefährdet?«
Zwischen den Bäumen zeigte sich bereits ein von einigen Sternen gepunkteter violetter Nachthimmel. Die Zeit verrinnt, das zweite Symposium der Parade ist so gut wie beendet, und das einzige Ziel dieser Weißberg besteht darin, das Treffen mit nicht mehr als einer Hoffnung auf Künftiges zu beschließen.
»Gospođa Weißberg, ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein«, ihm blieb keine andere Wahl, als ihr ein wenig zu drohen. »Wenn wir nicht übereinkommen können, dass in spätestens einer Woche jeder von uns seinen Vorgesetzten eine Planung der Parade vorlegt, sehe ich mich gezwungen, dem deutschen Auswärtigen Amt zu berichten, dass das zweite Symposium unserer Parade in eine Sackgasse geraten ist.«
»Das werden Sie nicht tun«, entgegnete sie energisch. »Wir müssen weiter an einem Strang ziehen.«
Sie gingen jetzt bergauf, in Richtung der Brücke, die sich über den schwarzen Fluss spannte. Jeder Schritt kostete ihn Anstrengung. Die Müdigkeit, gegen die er in den letzten Stunden angekämpft hatte, traf ihn mit einem Schlag. Aus den Fenstern der ersten Häuser der Stadt leuchteten trübe Lichter, und über dem Dach der Holzfabrik stieg eine Stichflamme in die Höhe. Die Brücke neigte sich bereits dem anderen Ufer zu, doch je näher sie der Stadt kamen, desto geschwächter fühlte er sich: Beide waren sie klein, viel zu klein, staksten über den Sand wie zwei Krebse, vor ihnen lag die Stadt und dahinter gab es andere Städte – Lublin, Moskau, Warschau, Berlin –, wo Schicksale entschieden wurden und
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