Gute Leute: Roman (German Edition)
geben.«
Sie zeichnete mit einem Stock Gesichter in den aufgeweichten Boden. »Diese Briefe«, sagte sie schließlich langsam, »sind die echt?«
»Nein, Gospođa Weißberg, wie ich Ihnen bereits sagte, ich habe sie gefälscht.«
»Gefälschte Briefe sollen Armeen in Bewegung setzen?« Ihre Stimme klang fest, doch ihr Blick weckte die Sorge bei ihm, ob sie nicht drauf und dran war, die Nerven zu verlieren.
»Gospođa Weißberg, Ihre Geringschätzung ist unangebracht, bedenken Sie, dass gefälschte Sendschreiben in der Geschichte Europas seit eh und je eine Rolle gespielt haben: Jahrhunderte lang hat die katholische Kirche den gefälschten Brief Kaiser Konstantins I. an den Papst aus dem 4. Jahrhundert verwendet; Skanderbeg hat die Festung Kruja mit Hilfe eines gefälschten Briefes erobert, auch die jüdischen Protokolle sind genau genommen eine Fälschung – und die Menge glaubt noch immer an sie.«
»Sie gehen ein gewaltiges Risiko ein.«
»Nicht unbedingt. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem es nicht mehr viel zu verlieren gibt.«
»Das Ganze ist der absurde Plan eines Wahnsinnigen!« Sie trat auf ihn zu, ihre Arme pendelten hin und her, sogar die verbundene Hand hatte ihren Platz hinter dem Rücken aufgegeben.
»Weniger absurd, als in einem dunklen Raum zu hocken und Karten zu zeichnen.«
»Ihre Chancen sind gleich null.«
»Wir sind ein begabtes Fälscherpärchen, vielleicht gelingt es uns, eine positive Kettenreaktion auszulösen.«
»Sie phantasieren.«
»Ich würde kein Geld auf unseren Erfolg setzen. Aber dies ist die einzige Möglichkeit.«
»Man wird Sie töten.«
»Oh, ich nehme an, man wird sich mit Arbeitslager begnügen …«
»Man wird mich töten, sobald der Schwindel auffliegt.«
»Sie sind doch auch bereit, für die Parade zu sterben.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Ich bin mir Ihrer Lage bewusst.«
»Aber Sie haben keinen vergleichbaren Grund. Zumindest habe ich in den Dossiers nichts dergleichen gefunden.«
»Ich habe nicht weniger gute Gründe.«
»Welche?«
»Recht verworrene Seelenqualen.«
»Sie verstehen sich darauf, die Dinge zu vereinfachen.« Ihre Stimme klang verärgert.
Offenbar merkte sie, dass er auch sich selbst gegenüber Mühe hatte, seine Motive zu begründen. Und während er noch nach den richtigen Worten suchte, legten sich vor seinen Augen schwarze Schleier über die Stadt.
Nicht jetzt, flehte er.
Das sagst du immer, lachte der Anfall.
Die dunklen Schleier wehten ihn an, bauschten sich im Wind. Die Stadt wurde schwarz, Pechtropfen fielen vom Himmel. Vielleicht schrie er, presste die Hand an sein Herz, meinte, es zwischen Brust und Kehle springen zu spüren. Jetzt ereilte ihn der Anfall, vor dem er sich immer gefürchtet hatte. Acht Jahre hatte er Erika gutes Geld gezahlt, um sich dagegen zu wappnen. Messerklingen fuhren ihm in die Rippen, er hörte sie gegeneinander schlagen und verstand nicht, wie er sich noch auf den Beinen halten konnte. Jemand hielt ihn fest. Sein Körper sank, bereit für den Schlag, der seinen Schädel zertrümmern würde, und er meinte zu verstehen, wie es wäre, nicht mehr zu sein.
Jetzt streifte ihm jemand das Jackett ab, riss sein Hemd auf, zwei Arme legten sich um seinen Bauch und ließen ihn sanft nach unten gleiten. Er lag mit ausgestreckten Gliedern auf dem feuchten Boden und lehnte seinen Kopf an ihre Knie, ihr gepunktetes Kleid streichelte seine Wangen, ihre Hände ruhten auf seinem Brustkorb. Woher wusste sie, dass der Schmerz dort saß? Ein Windstoß kühlte seine nackte Brust. Seine Augen blickten hinauf zu den Wolken, die sich zu einer Art Hügel mit kleinen Terrassen zusammengeballt hatten. Atmen-atmen-atmen, hörte er ihr Flüstern. Trotz allem am Leben, dachte er.
***
Er lag wie tot auf ihrem Bett, sein weißes Hemd, das sie auf der Brücke zerrissen hatte, bedeckte nur noch einen kleinen Teil seiner Brust, aus der schwache Atemgeräusche kamen – und noch immer schmiegte sich sein Körper an sie. Sobald sie sich von ihm löste, wimmerte er in seiner Muttersprache. Der sternenübersäte Himmel, der durch ihr Fenster schien, bedeutete immerhin einen Aufschub. Wenn er verblasste, würde sie beide nichts mehr vor dem Wüten der Welt draußen schützen.
»Du musst aufwachen«, flüsterte sie, »du kannst nicht hier liegen und mich allein lassen. Noch können wir diese Nacht heil überstehen! Noch haben wir nichts vollendet. Du verstehst, dass ich dich nicht in ein Krankenhaus bringen konnte?
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