Gute Leute: Roman (German Edition)
Geschäfte mit uns … Warum zeigen Sie bei der Parade diese Historie nicht?
Das Deutsche Reich und die Sowjetunion stehen vor einem Abgrund. Wir wissen beide von den Truppenkonzentrationen entlang der Grenze, vier Millionen Soldaten auf beiden Seiten, vielleicht noch mehr. Unser Ziel muss es sein, die Phantasie aller zu beflügeln hinsichtlich der Möglichkeiten, die in einem dauerhaften Frieden liegen.«
Während er redete, wurde ihr Gesicht grau, ihre Schultern sanken herab und ihr Blick wanderte ziellos durch das Unterholz. Doch dann schien sie sich zu besinnen und fixierte ihn mit stolzem Blick.
»Was selbstverständlich nicht den Wert Ihrer höchst professionellen und beeindruckenden Arbeit mindern soll«, beeilte er sich hinzuzufügen.
Ein spöttisches Lächeln trat auf ihr Gesicht: »Sparen Sie sich Ihre Komplimente, wir sind hier, um das Beste für das gemeinsame Ziel zu erreichen.«
In der Tat, bestätigte er eilends, es gehe um Meinungsverschiedenheiten, die man ausräumen könne. Und mit ihrer Erlaubnis werde er ihr Näheres über seinen Vorschlag erzählen: Das Modell, das er vor Augen habe, sei die Weltausstellung, die in unregelmäßigen Abständen stattfinde. Er habe in Spanien einmal eine dieser Ausstellungen besucht: Der großartige artifizielle Charakter der Ausstellung habe im schönsten Kontrast zur morbiden Erscheinung Barcelonas gestanden. Er sei zwischen den Pavillons Mexikos, Brasiliens, Portugals und Guatemalas umhergewandert und habe das Gefühl gehabt, über eine Weltkarte zu laufen. Ja, in seinem Überschwang konnte er nicht an sich halten und gab auch noch die Anekdote über den letzten maurischen Herrscher zum Besten: Im Jahre 1492, nach der verlorenen Schlacht um die letzten muslimischen Enklaven auf der iberischen Halbinsel, habe dieser an Deck des Schiffes gesessen, das sich von Granada entfernte, und Tränen vergossen, bis ihn seine Mutter anherrschte: »Jammere nicht wie ein Weib über einen Ort, den du nicht wie ein Mann hast verteidigen können.«
In ihren Augen blitzte Neugierde: »Wann war das, diese Ausstellung?«
»1929, Sie werden sicher gehört haben, dass solche Ausstellungen überall auf der Welt stattgefunden haben, in Chicago, New York, Paris.«
»Sind Sie schon einmal in Paris gewesen?«
»Was für eine Frage, wir hatten dort eine Niederlassung.« Der Ton, in dem sie nach Paris fragte, war wirklich rührend und in ihrem Blick lag eine Ehrfurcht, die sie nur mit Mühe verbarg. Letztendlich war sie nichts als ein kleiner Backfisch, der niemals aus der Sowjetunion herausgekommen war.
»Wie auch immer«, er räusperte sich, »unser Friedensfest sollte nicht stattfinden, um militärische Kunststückchen vorzuführen, und auch nicht zu Ehren der Historie, nein, es muss die Menge faszinieren. Daher gilt es, das Fest als eine Art gemeinsame Ausstellung unserer beiden Länder zu konzipieren, deren Schwerpunkt wegen der Kürze der Zeit auf der Armee liegt.«
In groben Zügen laute sein Plan wie folgt: Um die Stadt Brest solle ein Ring von acht Pavillons errichtet werden. Die ersten sechs Pavillons würden den verschiedenen Waffengattungen der Armeen vorbehalten sein, den Land- und Luftstreitkräften und der Marine. Er stelle sich Kinder vor, die auf Panzern klettern, mit den Knöpfen und Schaltern im Cockpit eines Jägers spielen, auf dem Modell eines alten Schlachtschiffes herumhüpfen, sehe Väter und Söhne mit Stahlhelmen auf dem Kopf über den Appellplatz toben.
Erschöpft lehnte er sich an einen Baumstamm, spürte ein taubes Gefühl in den Fingern. Der Tag hatte ihn ausgelaugt.
»Recht eigentlich wollen Sie einen Zirkus«, sagte sie schließlich. »Eine Schlacht mit Elefanten möchten Sie nicht?«
»Die Einzelheiten sind unwichtig«, er überging die Spitze. »Außerdem schlage ich vor, zwei gemeinsame Pavillons zu errichten: einen Pavillon der deutsch-sowjetischen Kunst und einen des Friedens und der Brüderlichkeit.«
»Und was stellen wir in dem Pavillon des Friedens und der Brüderlichkeit aus?«, fragte sie spöttisch.
»Welche Frage«, rief er mit heiterem Erstaunen. »Dinge, die mit Frieden und Brüderlichkeit zu tun haben.«
Mit einem Mal traf ihn die Bedeutungslosigkeit seines Tuns wie ein Schlag, die Tatsache, dass das Verhaltensmuster dasselbe blieb, auch wenn die Absichten sich änderten.
Er musste Mademoiselle Weißberg in die Welt der Taten zurückholen und zwar schnell. Aber würde sie den Mut haben, einen derart subversiven Plan
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